Vulkanische Wanderungen auf Sào Miguel, Faial, Pico und Sào Jorge
Text: Gabi Dräger Fotos: Jürgen Rose
Wandern ist die beste Art, um die Azoren kennenzulernen. Schwarz, grün und blau sind die Farben der Inseln. Blau steht für den Atlantik, die Kraterseen und die Hortensien. Grün steht für das Land mit Baumheide, Lorbeer, Wacholder, Wiesen und schwarz für die Vulkanberge und Lava.
São Jorge, die Wanderinsel
Dicke Wolken und Nieselregen schlucken die Landschaft. Luis, portugiesisch Luisch ausgesprochen, ist ein Powerpaket und der beste Guide zum Wandern auf São Jorge, einer Insel der Azoren. Er brachte uns, das sind vier Münchner Wanderer, mit dem Auto zum Start an der Straße von Calheta nach Topa. Nach einem kurzen Anstieg im dicken Nebel und Nieselregen erreichen wir einen schmalen Pfad, der in Serpentinen steil abwärtsführt. Der Weg ist nass und rutschig, jeder Schritt verlangt Konzentration. Wir haben Glück, die Wolken lösen sich langsam auf und überlassen der Sonne den Vortritt. So ist das Wetter auf den Azoren, es wechselt sehr schnell, irgendwo auf den Inseln schein immer die Sonne und irgendwo gibt es tiefliegende Wolken. Kein Wunder also, dass die Azoren so grün sind. Baumheide, Wacholder und Lorbeer überziehen die Hänge um uns herum im größten Tal der Insel, in der Caldeira da Clima. Die Baumheide, bei uns Erika genannt, wird hier bis zu sechs Metern hoch. Luis erzählt von seinem Projekt, den „Sieben Summits“. Er möchte auf dem jeweils höchsten Berg eines Kontinents die azorianische Flagge stecken. Australien, Afrika und natürlich den höchsten Berg der Azoren, den Pico alto als Zusatz, hat er schon in der Tasche. Im Juli ist der Aconcagua sein nächster Gipfel. Ein Fluss sucht seinen Weg durch das grüne Dickicht. Wir kraxeln über Felsen zu einem Wasserfall unterhalb
einer alten Steinbrücke. Eine riesige Gumpe lädt zum Baden ein, aber im Moment scheint die Sonne nicht. Am liebsten hätte Luis uns am Wasserfall abgeseilt, er ist ganz in seinem Element und bedauert, dass er nicht die passende Ausrüstung dabei hat. Das Rauschen der Meeres-brandung kündigt die Fajã da Caldeira de Santo Cristo an. Eine Fajã ist ein flaches fruchtbares Stück Land am Meer begrenzt durch die Steilhänge der Vulkanberge. Ein paar Häuschen, eine Kirche, ein Restaurant, ein See, den das Meer in den schwarzen Lavasteinen geformt hat, machen den ganzen Ort aus, in dem nur zwölf Menschen wohnen. In der kleinen Kirche steht ein Fernseher, um Andachten zu Übertragen, auf dem Altar. Wir trinken einen galão, einen Milchkaffee und wandern weiter, mal in Meereshöhe und mal oberhalb der Steilküste auf einem Weg, auf dem nur Quads fahren können. Früher waren die Fajas nur zu Fuß erreichbar. Wir sind nach drei Stunden in der Fajã dos Cubres, hier wartet ein Kleinbus auf uns, das ist sehr komfortabel, denn so müssen wir nicht den gleichen Weg zurück oder auf der, in die Steilküste eingequetschte Straße, zurück ins Landesinnere aufsteigen. Luis fährt uns an die Südostküste. Wir stoppen hin und wieder, um durch kleine Ortschaften zu spazieren oder an der Küste entlang zu laufen. Abends genießen wir in einem Lokal am Meer „O Amilcar“ bei Velas auf der Terrasse fangfrischen cherne, Zackenbarsch und Weißwein natürlich von den Azoren, einen Frei Gigante. Maria kommt am nächsten Morgen müde zum Frühstück. Sie konnte nicht einschlafen, denn sie wurde durch das Geschrei eines Babys und dem Gejammer einer Katze gestört. Luis lacht: „Das war ein cagarro, ein Gelbschnabel-Sturmtaucher, die hier brüten. Sie singen nicht, sondern krächzen oder jaulen nur“.
Faial, die blaue Insel
Die Atlantiküberquerer, die im Hafen von Horta Zwischenstation machen, verleihen der Stadt einen Weltenbummler Flair. Im Café Peter Sport herrscht reges Treiben, braungebrannte Segler aus aller Welt sitzen neben Touristen und Einheimischen. Das Café ist eine Institution, hier muss man einfach hingehen. Die Kaimauer schaut aus wie ein Fleckerlteppich, denn die Segler verewigen sich dort mit einem gemalten Bild, das Glück bringen soll für die Weiterfahrt. Der geschützte kreisrunde Sandstrand von Porto Pim lockt, aber uns zieht es wieder in die Berge. Die mächtige Calderei von Faial im
Zentrum der Insel versteckt sich hartnäckig in den Wolken, dafür sehen wir eine Fülle von Hortensien, auf keiner anderen Insel wachsen soviel wie auf Faial. Wir versuchen unser Glück im Vulkangebiet von Capelinhos. Schon von Weitem sind der Leuchtturm und die nackten kargen Hügel zu sehen, die 1957 bis 1958 vom Vulkan Capelinhos ausgespuckt worden sind. Nebelschwaden ziehen über die trostlose Mondlandschaft. Wir gehen ein Stück am Meer entlang und steigen dann auf festgetretener Vulkanasche aufwärts, biegen nach rechts auf den kahlen Buckel ab und erhaschen hin und wieder einen kurzen Blick zwischen Nebelfetzen von der Insel. Wir steigen ab und sind nach fast zwei Stunden am Leuchtturm. Bis zur zweiten Fensterreihe steht das Gebäude in Vulkanasche. Um die einmalige Szenerie nicht zu stören, hat man das moderne Museum unterirdisch gebaut. Wir lassen uns mit einem 3D-Film, auf Bildschirmen, Fotos und an Modellen über die Entstehung der Azoren aufklären. Und wo gehen wir jetzt hin, natürlich wieder ins Peter Café Sport in Horta.
Schon morgens um acht kommen die ersten Gäste, es sind Segler, die hier frühstücken und sich informieren. Im Cafè hängt die Jobbörse: Mannschaften oder Mitfahrer werden gesucht oder angeboten. Bei José Henrique, dem heutigen Besitzer des Cafés gibt es Nachrichten für Segler, die an der Bar stecken und Post. Er hat die wohl kleinste Post, die nur aus einer Schublade besteht. Angefangen hat alles 1918 mit dem Großvater, Henrique Azevedo. Damals im Café trafen sich Walfänger, Seeleute, Arbeiter der internationalen Telegrafengesellschaften, Piloten, die den Atlantik überquerten und Geheimagenten. Sein Sohn, José, der das Café übernahm, wurde von einem englischen Kapitän „Peter“ genannt, weil der seinem Sohn so ähnlich sah. Der Name blieb, auch der Enkel, der heutige Besitzer wird auch Peter gerufen. Heute ist die holzverkleidete Bar, in der Wimpeln und Flaggen dicht aneinanderhängen, ein Treffpunkt internationaler Segler.
Pico, die schwarze Insel
Der Pico alto zeigt sich mit einem Kragen aus Wolken. Wir haben riesiges Glück, dass sich der höchste Berg Portugals mit seinen 2351 Metern zeigt. Nur dreißig Minuten hat die Überfahrt mit der Fähre von Faial zur Insel Pico gedauert. Manuela Frey erwartet uns am Hafen von Madalena „Die Insel Pico ist was Besonderes, ihr werdet schon sehen“, begrüßt sie uns. Sie ist Deutsche und hat sich vor 15 Jahren bei der Weltumseglung mit ihrem Mann in die Insel Pico verliebt und sie sind hängen geblieben. „Wer weiß, wann wir die Weltumseglung weiter machen?“ Sie fährt uns in das Verdelho-Weinanbaugebiet, das zum Unesco Kulturerbe gehört. Die schwarzen Mauern aus Lavasteinen, die die kleinen Weinfelder eingrenzen, speichern die Hitze und halten den Wind ab und schaffen ein Mikroklima, das optimal für die Reife der Trauben ist. Schwarz ist die Farbe der Insel, nicht nur die Mauern sind schwarz, sondern
auch der Berg und die Küste. Heute ist Pico alto Tag. Um acht Uhr holt uns Manuela ab und fährt uns ins Hochland. Nur noch Kühe treffen wir an. Ab 200 Höhenmetern sind die Gebiete geschützt und dürfen nicht mehr bebaut werden. Wir parken in 1200 Metern Höhe. Zuerst müssen wir uns beim „Casa da Montanha“ eintragen. Wir folgen den Markierungen durch ein Bachbett, später den vereinzeln stehenden Pfeilern. Wir stapfen über scharfkantiges Lavageröll und über Stufen, die 50 bis 60 Zentimeter hoch sind und Kondition erfordern. Der Weg ist schlecht zu erkennen, Manuela kennt sich aus. Wir müssen halb um den Berg herumwandern, da der Kraterrand den Weg versperrt. Dann ist es endlich soweit, nach dreieinhalb Stunden stehen wir oben auf dem Pico Grande, mit einem Durchmesser von 700 Metern. Unser Ziel ist der Lavakegel Pequeno, der sich noch 50 Meter über dem Kraterrand erhebt. Der Ausblick ist gigantisch, wir sehen den Atlantik und die Inseln Faial und São Jorge. Fumarolen und aufsteigende Dämpfe zeigen, dass der Pico ein Vulkan ist, der nur schläft. Für den Abstieg braucht man wegen der vielen hohen Stufen und des Gerölls vor allem gute Knie und Teleskope Stöcke.
São Miguel, die größte Insel
Die Wasseroberfläche sieht aus, als ob sie kocht. Unzählige Rückenflossen tauchen plötzliche auf. Nachdem wir eine Stunde vom Hafen in Ponta Delgada mit dem Boot ins offene Meer getuckert sind, sind wir mittendrin im Geschehen. Eine ganze Familie von etwa 60 Delfinen umringt das Whale watching Boot. Delfine springen aus dem Wasser, manchmal in Zweier- oder Dreierformationen, eine
perfekte Show in freier Natur. Auf dem Rückweg kurz vor dem Hafen sind wir von einer großen Schule von Tümmlern umrundet. Lauter Flipper, wie wir sie aus der Fernsehserie kennen. Wenn sie auftauchen, sehen ihre Gesichter aus, als ob sie lachen, sie machen einen so fröhlichen Eindruck. Einen Pottwal haben wir nicht gesehen aber was macht das schon. Bis etwa 1986 wurden die Wale gejagt, heute werden sie nur noch mit den Kameras abgeschossen.
Mit Eduardo Silva, dem Guide, fahren wir ins Inselinnere und besichtigen eine Teeplantage. Der Tee kam im 19. Jahrhundert aus Macao aus China auf die Azoren. Intensiver frischer Teegeruch steigt in die Nase. Die Teeblätter werden traditionellen alten Maschinen gerollt, dadurch verliert der Tee den bitteren Geschmack. Anschließend wird der Tee gepresst, getrocknet, sortiert und dann von Frauen handverlesen. Wir trinken eine Tasse grünen Tee und weiter geht es zum vulkanisch gekochten Mittagessen in das Tal von Furnas. Schwefelgeruch schwängert die Luft, Dampf steigt aus Erdlöchern und heißes Wasser rülpst aus der Erde. Unter den aufgeschichteten Hügel, die, wie Ameisenhaufen aussehen, stehen Töpfe mit Lavasand bedeckt. Sie wurden um halb sechs Uhr morgens mit verschiedenen Fleischsorten, Wurst und Gemüse gefüllt und dann übernimmt der Vulkan das Kochen. Cozido oder Vulcano cooking ist slow food, denn das Essen wird langsam gedampft und ist somit sehr gesund. Mittags werden die Töpfe vom Restaurant Terra Nostra abgeholt und wir genießen dort den Vulkaneintopf. Vom Restaurant sind es nur ein paar Schritte bis zu den heißen Quellen im Terra Nostra Park. Einladend sieht das rotbraune schwefelhaltige Wasser gerade nicht aus in dem Becken, groß wie ein Schwimmbad. Aber die wohlige Temperatur von 36 bis 40 Grad überzeugt. Wir lümmeln im Wasser und genießen den Ausblick auf die mit Kamelienblüten überfüllten Büsche und
Farne groß wie Bäume. Im Zentrum des Städtchens Furnas brodelt die Erdoberfläche. Fumarolen bubbernd und dampfen etwa 90 Grad heißes Wasser aus dem Boden. Wir testen verschiedene Mineralwasser, die mit mehr oder weniger Kohlensäure kalt aus der Erde kommen und richtig gut schmecken. Einheimische füllen das Wasser in Containern und Flaschen ab. Lagoa do Fogo, ist der hellgrüne Kratersee, denn man unbedingt sehen muss. Doch leider verschleiern Wolken den Blick auf das Naturschauspiel. Der See steht unter Naturschutz und ist ein Vogelschutzgebiet. Wegen der Wattepackung streichen wir die kleine Wanderung zum See. Abends bestellen wir Schwertfisch im Fischrestaurant Borda da Água in Rosário Lagoa. Besser und frischer kann man Fisch kaum essen. Die Auswahl erleichtern Tafeln mit abgebildeten Fischen. Andrea, die Tochter des Besitzers, hat alles unter Kontrolle und mit einem dezenten Hüftschwung serviert sie die Gerichte.
Nieselregen erwartet uns am nächsten Tag, aber es ist nicht kalt. Wir wandern in Sete Cidades an dicken Mooswänden entlang. Wenn man das Moos ausdrückt, läuft Wasser, wie aus einem Wasserhahn heraus. Das kräftige Pink und rot der Azaleen bereichern das Grün. Die Wanderung um den riesigen Krater mit zwölf Kilometer Umfang müssen wir leider streichen, da wir mitten in den Wolken sind und absolut nichts sehen. Eduardo weiß eine Sage als Trost. Eine Prinzessin hatte sich in einen Hirten verliebt, den sie nicht heiraten durfte, da sie einem Prinzen versprochen war. Zum allerletzten Mal verabredeten sich die Prinzessin und der Hirte. Der Trennungsschmerz war so groß, dass sie weinten. Die Prinzessin hatte blaue Augen, so flossen blaue Tränen zu einem großen See und aus den grünen Augen des Hirten flossen grüne Tränen zu einem kleineren See. Seitdem sind der Lagoa Azul und Lagoa Verde ein Zeichen ewiger Liebe.
Die vier Inseln haben uns neugierig gemacht auf die weiteren fünf Inseln der Azoren. Da hilft nichts, da muss man einfach wiederkommen.
Tourismus Azoren: www.visit-azoren.de, www.drtacores.pt
Allgemeines: Zwei Stunden Zeitunterschied. Bankautomaten sind weit verbreitet. Sprache portugiesisch, mit Englisch kommt man gut um die Runden. Die Azoren liegen 1500 Kilometer von Portugal und 3600 Meter von Amerika entfernt im Atlantik. Auf den neun Inseln leben 250.000 Menschen. Die Inseln wurden im 15. Jahrhundert besiedelt.
Wetterküche Azoren: Im Winter wird es insgesamt nicht kälter als 15–10 °C, ab April werden auch 20 °C überschritten. Im Sommer ist es tagsüber bis zu 25 °C warm und in der Nacht sinken die Temperaturen selten unter 15 °C. Herbst und Frühjahr sind mild und regnerisch.
São Jorge, Velas und Calheta, 50 Kilometer lang und 8 Kilometer breit.
Pico, Hauptort Madalena, 15 Kilometer lang und 46 Kilometer breit
Faial, Hauptort Horta, 14 Kilometer lang und 21 Kilometer breit
São Miguel, Hauptort: Ponta Delgada, 62 Kilometer lang und 15 Kilometer breit
Belletristik: Der Klassiker, Moby Dick von Hermann Melville. Die Frau von Porto Pim von António Tabucchi
Essen und Trinken: Die kulinarische Seite der Inseln. Die Kochkunst ist einfach und die Qualität der Zutaten exzellent. Überzeugend sind die vielen verschiedenen fangfrischen Fische, die am Besten vom Grill schmecken. Bacalhau ist das Nationalgericht. Kabeljau wird gesalzen und in der Sonne getrocknet. Wird in Deutschland Stockfisch genannt. Der Käse von São Jorge ist eine Spezialität. Nahezu der gesamte Tee wird von der Bevölkerung selbst verbraucht. Die Teeplantagen sind eine Touristenattraktion.
Vulkanausbrüche: Die Azoren wurden immer wieder von Vulkanausbrüchen und Erdbeben heimgesucht. Den größten Ausbruch bildete 1957 die Entstehung des Vulkans Capelinhos an der Küste der Insel Faial. Etwa 2.000 Menschen mussten umgesiedelt werden und viele Bewohner wanderten in die USA. 1980 erschütterte ein Erdbeben die Insel Terceira und zerstörte die Hauptstadt Angra do Heroísmo. Das letzte größere Beben ereignete sich 1998 im Meer vor Faial, tötete auf der Insel zehn Menschen und machte Tausende obdachlos.
Unterkünfte: Die Azoren entwickeln sich langsam zu einem beliebten Urlaubsgebiet. Noch vom Massentourismus verschont bietet die Insel zahlreich kleine, teilweise familiengeführte, Hotels der mittleren Sterne-Kategorie. Eine Auflistung verfügbarer Hotels finden Sie hier. Ein Vorteil der Hotels ist der vergleichsweise günstige Zimmerpreis. Selbst hochwertige und luxuriöse Häuser sind für unter 40€ pro Nacht buchbar.
Über den Autor*Innen
Gabi Dräger
Wo findet man Gabriele Dräger in den Bergen? Natürlich in einer Alm bei einer Brotzeit., denn Almen mit guter Küche ziehen sie magisch an. Gipfel nimmt sie auch hin und wieder mit. So hat sie einige 5.000er beim Trekking in Süd Amerika und Nepal, bestiegen. Ihre Hochleistung war der Kilimandscharo mit 5.895 Meter. Kultur und Brauchtum faszinieren sie genauso, wie Städte und Kunstausstellungen. Obwohl sie gerne in urigen Berghütten übernachtet ist sie dem Luxus von guten Hotels nicht abgeneigt.