Wanderungen auf dem Gletscherweg am Dachstein und an der Reiteralm zum Spiegelsee
Höher geht’s nicht. Der Dachstein, der höchste Berg der Steiermark, ist das Ziel der ersten Wanderung. Es klingt dramatischer als es ist, denn die Seilbahn bringt einen ganz bequem direkt in die Gletscherregion in 2700 Meter Höhe. Die Schritte auf dem Sky Walk, der Aussichtsplattform, versprechen Nervenkitzel, denn wenn man auf dem durchsichtigen Glasboden steht, sieht man 250 Meter an senkrechten Felswänden hinunter in die Tiefe.
Das Panorama ist gigantisch, an schönen Tagen kann man über unzählige Gipfel zum Großglockner und sogar bis nach Slowenien sehen. Die Dachsteinregion ist nicht zu unrecht als UNESCO-Weltnatur- und Kulturerbe ausgewiesen. Auf der Terrasse der Bergstation stehen Strandkörbe für Sonnensklaven für alle, denen die begehrte Gletscherbräune wichtig ist. Dohlen sitzen auf dem Geländer und warten
geduldig, bis ein Happen für sie abfällt. Langläufer kommen gerade vom Training von den ganzjährig präparierten Loipen zurück, sie sehen zwischen den Spaziergängern in ihrer engen Langlaufausrüstung aus, wie von einem anderen Stern.
Auf geht’s auf dem Gletscherwanderweg im Sulzschnee und auf ewigem Eis, das in verschiedenen Blau- und Türkistönen schimmert. Bis zu neunzig Meter kann das Eis an manchen Stellen dick sein. Eine herbe Enttäuschung ist, dass das Gletschereis nicht reinweiß, sondern wie mit Mohn bestäubt ist. Das macht der Wind, der Humus über das Eis verteilt. Da der Weg bestens präpariert ist, ist der Aufstieg einfach, er führt stetig ansteigend auf Schnee und Eis bis zur Seethaler Hütte in 2740 Metern Höhe auf der Dachsteinwarte. Auf der Terrasse treffen sich Wanderer und Kletterer. Wenn man schon da ist, soll man auch was Zünftiges aus der Steiermark probieren, schlägt Wilfried Schrempf, der Hüttenwirt, vor und bringt ein Brot mit Steirerkäs. Der Käse aus Magermilch schmeckt würzig und passt gut zum Bier. Beim Abstieg läuft Tauwasser in kleinen
Rinnsalen über den Gletscherpfad. Kurz vor der Bergstation heißt es die Jacke anziehen, denn es geht in den Eispalast.
Im Inneren herrscht eine Temperatur von konstant null Grad. Das Eis ist makellos weiß und gibt etwa fünfhundert Jahre alten Sauerstoff frei, der noch nicht von der Umwelt belastet ist. In den frostigen Säulenhallen stehen zur Freude der Kinder die Stars aus Ice Age, die im Scheinwerferlicht schimmern. Ein Bullauge gibt den Blick auf eine 40 Meter lange und 17 Meter tiefe Gletscherspalte frei, in der große Eiskristalle wachsen. Der Thronsaal, der Kristalldom und der blaue Salon versetzten einen in eine kalte Märchenwelt. Doch die Sehnsucht nach Wärme und Sonne setzt sich durch. „Habt ihr die Gletscherflöhe schon gesehen?“ fragt die Kassiererin des Eispalastes beim Rausgehen und lacht,
während sie auf das schwarz beschichtete Eis deutet. Gletscherflöhe, die gibt es natürlich aber nicht soviel, wie der vom Wind verwehte Humus, der das Eis bedeckt. Der schwarze 1,5 bis 2,5 Millimeter große Floh lebt auf Eis- und Schneeflächen bei einer Temperatur von 15 Grad unter null bis maximal zwölf Grad plus. Um null Grad fühlt er sich am Wohlsten. Trotz sorgfältigen Suchens wurde keines dieser Tiere erspäht, also geht es zurück per Seilbahn. An der Talstation lockt die Dachstein Südwandhütte zur Einkehr. Wer jetzt noch nicht genug hat vom Wandern, steigt noch eine gute halbe Stunde weiter an der Sonnenseite des Dachsteins auf. Eisenhut und Glockenblumen säumen den Weg. Der kurze Aufstieg lohnt sich, denn auf der großen Terrasse kann man herrlich in der Sonne relaxen.
Die nächste Wanderung beginnt mit der Busfahrt von Schladming bis zur Eiskarhütte. Der Rundweg führt an der Gasselhöh Hütte, am Untersee einem kleinen Waldsee vorbei bis zum Spiegelsee, in dem sich der Dachstein spiegelt. Statt Gämsen grasen gerade Ziegen als Ersatz. Für die meisten Wanderer ist die Tour hier zu Ende, sie machen Brotzeit und gehen zurück. Der sportliche Wanderer folgt dem Rundweg, der steiler wird und sich in Serpentinen über Blockwerk bis Gipfel des Rippetecks aufwärtswindet. Dieser kann mit einer Höhe von 2126 Metern aufwarten. Auf einem breiten Grat über Wiesenboden, wie auf dem Rücken eines riesigen Elefanten, geht es weiter bis zu einem Gipfelkreuz der Gasselhöhe in 2001 Meter Höhe. Von nun an geht es durch Latschen und Heidelbeerbüsche auf einem schmalen Pfad nur noch bergab ab zur Gasselhöh Hütte. Hier kann man einfach nicht vorbei gehen, hier muss man einfach einkehren,
bevor es zur Bushaltestelle zurückgeht. Vier bis fünf Stunden hat die Tour gedauert und 400 Höhenmeter sind zu bewältigen.
Der Pleschnitzzinken, ein einfacher Wiesenmuggel wird ins Visier genommen. Er ist kein Modegipfel und hat keine Einkehrmög-lichkeit, aber dafür gibt es im September beim Aufstieg Heidelbeeren, soweit das Auge reicht. Wer will jetzt noch auf den Gipfel, Beerenpflücken ist angesagt. Im Loipoldshof füllt Herta Walcher, die Bäuerin für ihre Pensionsgäste Quarkknödel mit den gepflückten Beeren, die mit gerösteten Semmelbröseln und zerlassener Butter getoppt werden. Herrlich. Gibt es noch Nachschlag?
Der letzte Tag ist der Faulheit gewidmet. Die Terrasse im Restaurant Forellenhof am Steirischer Bodensee in 1150 Meter Höhe ist wie geschaffen dafür. Es gibt fangfrische Forellen aus eigener Zucht. Für den, der die Fische lieber nur füttert, gibt es Automaten die für zehn Cent eine Handvoll Fischfutter ausspucken. Enten und Forellen machen sich das Futter streitig. Da der See viel zu kalt ist zum Schwimmen ist, kann man sich ein Boot mieten und vor der Kulisse des Wasserfalls rudern und beobachten, wie Bergsteiger zur Hans Wödlhütte aufsteigen. Die Neugier ist geweckt, beim nächsten Mal ist die Hütte das Ziel.
Text und Bilder: Gabi Dräger
Über den Autor*Innen
Gabi Dräger
Wo findet man Gabriele Dräger in den Bergen? Natürlich in einer Alm bei einer Brotzeit., denn Almen mit guter Küche ziehen sie magisch an. Gipfel nimmt sie auch hin und wieder mit. So hat sie einige 5.000er beim Trekking in Süd Amerika und Nepal, bestiegen. Ihre Hochleistung war der Kilimandscharo mit 5.895 Meter. Kultur und Brauchtum faszinieren sie genauso, wie Städte und Kunstausstellungen. Obwohl sie gerne in urigen Berghütten übernachtet ist sie dem Luxus von guten Hotels nicht abgeneigt.