Wandern auf den Spuren der Etrusker

Wandern auf den Spuren der Etrusker - Von Höhlenwohnungen und einzigartigen Grabstätten - (c) Jörg Bornmann

Hört man Italien, denkt man wie selbstverständlich an die Hinterlassenschaften der Römer. Kaum ein Landstrich, in dem man nicht auf Ausgrabungen trifft, Scherben von Transportgefäßen findet oder oft gut erhaltene Bauwerke der Römer bestaunen kann. Doch die Geschichte in Italien hat viel mehr zu bieten und ist eine Schatzkammer für Archäologen und Historiker. Die Römer, die Griechen, das Mittelalter und vieles mehr, Italien kann man getrost als die archäologische Schatzkammer Europas bezeichnen.

Wir wollen auf den Spuren der Etrusker wandern und reisen dafür in die südliche Toskana, die Hochmaremma, in die italienische Provinz Grosseto nach Sorano, der „Citta‘ del Tufo“. Diese kleine Stadt mit etwa 3.200 Einwohnern nimmt uns mit ihrem mittelalterlichen Charme sofort gefangen. Wir übernachten im Hotel della Fortezza, der ehemaligen Festung über Sorano. Bevor wir uns beim Dinner im Ristorante „L’Ottava Rima“ verwöhnen lassen schauen wir uns zunächst den Ort an. Ein mittelalterliches Labyrinth erwartet uns. Man hat das Gefühl in einem Ort außerhalb der Zeit zu sein.

Nach einer erholsamen Nacht im Hotel machen wir uns auf die Spuren der Etrusker. Außerhalb der hohen Tuffsteinmauern stoßen wir auf eine unberührte Natur mit jahrhundertealten Bäumen. Ihr sanftes Rauschen, das Plätschern des Flusses Lente, die Ruhe und die Schönheit der Ausblicke, wir lassen uns von der Einzigartigkeit dieses wenig bekannten Winkels der Maremma gefangen nehmen.

Rund um Sorano
Auf dem Sorano gegenüber liegendem Hochufer starten wir unsere Wanderung und gehen zuerst zu einigen Aussichtspunkten, von denen wir wundervolle Eindrücke der Natur und des gegenüberliegenden Sorano erhalten. Bereits hier erwarten uns die ersten Wohnhöhlen der Etrusker. Anna, die uns begleitet erklärt uns vieles zu den Lebensgewohnheiten der Etrusker. Wohnhöhle klingt für uns zunächst einmal primitiv, aber schnell überzeugen uns Annas Geschichten zu den Lebensgewohnheiten der Etrusker vom Gegenteil. Bis zu drei Stockwerke hatten die Wohnhöhlen, man machte sich früh die geologischen Eigenschaften der Tuff-Region zu Nutze und legte komplette Siedlungen in der Region an. Schmolz Metalle für Waffen und landwirtschaftliche Geräte, legte Felder an, nutzte die Schätze der Natur und kelterte bereits Wein. Gelagert wurde dieser, wie auch das gewonnene Olivenöl in Amphoren, die im Boden der Wohnhöhlen eingelassen wurden. „Höhlen werden noch heute meist als Lagerräume genutzt“, erklärt uns Anna, „sie haben den großen Vorteil, dass sie Sommer wie Winter eine fast gleichbleibende Temperatur haben.“

Auf den alten Wegen der Etrusker wandern wir langsam abwärts zum Fluss Lente. Beeindruckend sind diese Wege zwischen den mehreren Metern hohen Tuffwänden. Umso mehr, wenn man sich vor Augen hält mit welch einfachen Mitteln die Etrusker diese Wege anlegten. Oftmals sind die Wege in der Mitte tief ausgetreten. „Das kommt von den Eseln, die über viele Jahrhunderte schwere Lasten auf diesen Wegen transportierten. Noch bis nach dem 2. Weltkrieg waren viele Orte nur durch diese Wege zugänglich.“ Anna hat viel zur Entwicklung der Region von den Etruskern bis in die heutige Zeit zu erzählen. Die Wege sind angenehm kühl und laden auch im Sommer zu Wanderungen ein. Durch die Luftfeuchtigkeit erhält sich hier eine besondere Flora, Farne und Moose, die teilweise nur hier zu finden sind, bilden den grünen Gegenpart zu den Tuffsteinen. Lediglich auf die teilweise klitschigen Wege, sollte es einmal regnen, möchten wir hinweisen. Dann ist etwas Vorsicht geboten. Ansonsten kann man auf diesen Wegen ganzjährig wunderbar wandern.

Noch einige Windungen auf den Transportwegen der Etrusker, schon öffnet sich vor uns das tief eingeschnittene Flusstal der Lente. Wieder begegnen uns uralte Bäume, die von einer Flora ergänzt werden und so entsteht eine Landschaft wie aus dem Märchen. Wir wandern entlang der Lente und kommen über eine Brücke wieder auf die andere Flussseite. Ein wenig bergauf und wir gelangen durch die ‚Porta dei Merli‘ wieder zurück nach Sorano.

Vitozza bei San Quirico
Unsere zweite Wanderung führt uns zu einem der größten Höhlensiedlungen Italiens mit mehr als 200 Wohnhöhlen. Wir parken unser Auto auf dem Wanderparkplatz am Ortsrand von San Quirino. Hier wohnen heute viele Familien, die noch vor wenigen Generationen Wohnhöhlen in Vitozza ihr Eigen nannten. Wir wandern los und schnell sind wir auf dem meist flachen Weg bei den ersten Höhlen, die seit Urzeiten in den Tuffstein gegraben wurden und als Wohnhäuser, Ställe und Nebengebäude genutzt wurden. In den heute verlassenen Räumen sind noch Spuren ihrer Nutzung erhalten; es gibt Zisternen zum Sammeln von Regenwasser, Brunnen, Nischen, Löcher und Randsteine zum Aufstellen von Betten und anderen Einrichtungsgegenständen. Wir stoßen auf Höhlen die durch viele nebeneinander liegenden Einbuchtungen auffallen. Lange war man am Rätseln für welchen Zweck diese geschaffen wurden, so gab es die Vermutung, dass es sich um religiöse Hinterlassenschaften der Römer handelt. Inzwischen hat man herausgefunden, dass diese zur Taubenzucht dienten, deren Eier und auch die Tauben selbst für die Ernährung genutzt wurden. Anna erzählt, dass im 11. Jahrhundert in der ganzen Gegend zahlreiche Burgen gebaut wurden. Zu dieser Zeit muss Vitozza Teil großer Kampfhandlungen gewesen sein, die 15 Festungen und Burgen umfasste, darunter Sorano, Pitigliano, Farnese, Mezzano usw. (Guiniccesca-Land). Die Fehde musste eine beträchtliche strategische Bedeutung haben, denn dank der Befestigungen war es möglich, die natürlichen Zufahrtswege zum Meer zu kontrollieren. So findet man neben den Wohnhöhlen auch am Ein- und Ausgang von Vitozza zwei Burgen und auf der Hochebene die Ruine einer großen Kirche.

Wir haben unsere Wanderung als Rundweg angelegt und kommen nach ca. 3 Std, wieder zu unserem Auto. Man kann von hier aus aber auch sehr gut über einen guten Wanderweg nach Sorano wandern oder über einen nicht gesicherten Weg zu den Quellen der Lente gelangen.

Parco Archeologico bei Sovana
Ein Highlight steht uns noch bevor. Der Besuch des Parco Archeologico bei Sovana. Hier zeigt sich besonders wie hochentwickelt die Kultur der Etrusker war. Zahlreiche Grabmahle lassen uns erahnen welche Kunstfertigkeiten sie besaßen. Oftmals wurden die Grabmahle aus dem kompletten Tuffstein vor Ort geschaffen. Diese um die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. datierten Doppel- und Falsodadogräber sind direkt in die Tuffsteinfelswand gehauen. Staunend stehen wir vor den Statuen, wir gehen in die Grabkammern und staunen über die vielseitigen Details der Bildhauerei.

Viele Wanderungen im Tuff-Gebiet
Das Tuff-Gebiet ist heute ein einzigartiger Ort auf der Welt. Neben den zahlreichen Zeugnissen aus Etruskischer Zeit sind auch die Mittelalterlichen Orte allesamt einen Besuch wert. Eines der schönsten ist sicherlich das Dorf Sovana, dass 2003 in die Liste der "schönsten Dörfer Italiens" aufgenommen wurde. Die Gemeinde Sorano erhielt 2004 die "Orangene Fahne": das Qualitätszeichen für Umwelttourismus des Italienischen Touring-Clubs. Das gesamte Gebiet ist mit Wanderwegen gut erschlossen und lädt zum Erkunden während des kompletten Jahres.

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Über den Autor*Innen

Jörg Bornmann

Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.