Sonnwendfeuer gehören zu den am weitesten verbreiteten Bräuchen und werden um den 21. Juni, dem längsten Tag und der kürzesten Nacht im Jahr, entzündet. Diese Feuer haben vorchristliche Wurzeln. So zeigten bereits die Kelten die Sommersonnenwende durch Feuer auf den Höhen an. Den Göttern wurde gedankt und die Dämonen wurden vertrieben. Die Schafkälte endet mit der Sommersonnenwende und damit beginnt die Erntesaison.
Weit verbreitet sind die Johannisfeuer. Das Johannisfeuer vermischt germanische und keltische Bräuche mit christlichem Gedankengut. Ihr Ursprung geht auf die Zeit der Christianisierung zurück, als die Kirche das Fest der Sommersonnenwende durch das Fest der Geburt Johannes des Täufers am 24. Juni ersetzte. Vor Einführung des gregorianischen Kalenders war der 24. Juni der Tag des höchsten Sonnenstandes, der sich dann auf den 21. Juni verschob – aus den Sonnwendfeuern wurden die Johannisfeuer. Am Johannistag wird die vorangegangene Sommersonnenwende gefeiert, der Höhepunkt des Sommers. An keinem Tag scheint die Sonne länger und die Nacht ist die kürzeste des ganzen Jahres. Um die Dunkelheit zu verbannen, brennen um den 21. Juni in vielen Gegenden große Johannisfeuer. Benannt ist der Tag nach Johannes dem Täufer. Er war ein prophetischer Bußprediger, der als Zeichen der Sündenvergebung taufte und das Kommen Jesus ankündigte. Später hatte er auch Jesus getauft.
Paare, die gemeinsam durch das Johannisfeuer sprangen, hofften, dass ihrer Liebe dadurch weiterhin vom Glück beeinflusst sei. Man flocht sich Gürtel aus Beifuß, sprang damit durch das Feuer und verbrannte den Gürtel – zum Schutz vor Krankheiten im folgenden Jahr. Junge Frauen trugen einen Blumenstrauß zum Festkleid, den sie vor Erlöschen des Feuers in die Glut warfen, damit all ihre Missgeschicke mit ihm verbrannten. Die Asche des Johannisfeuers wurde am nächsten Tag auf die Felder gestreut.
Kräuter, die man am Johannistag pflückte, sollten eine besondere Heilkraft haben. So band man an diesem Tag „Johannissträuße“ aus sämtlichen Kräutern, in deren Mitte oft als wichtigster Bestandteil die Königskerze steckte – sie wird auch Sonnwendblume genannt.
Auch dem Holunder, der an diesem Tag geerntet wurde, sagte man eine besonders heilsame Wirkung nach, weshalb der Johannistag in einigen Regionen aus als „Holdertag“ bekannt ist. Für die Bauern endet mit dem 24. Juni die Rhabarber- und Spargelernte und die Wiesen sollten gemäht werden.
In Südtirol traten schließlich die Herz-Jesu-Feuer, die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zur Erinnerung an das Herz-Jesu-Gelöbnis von 1796 auf den Bergen leuchten, an die Stelle der Sonnwendfeuer. Als französische Truppen unter Napoleon I. das Land Tirol bedrohten, traten die Tiroler Landstände 1796 in Bozen zusammen um die Lage zu beraten. Sie beschlossen, das Land dem „Heiligsten Herzen Jesus“ anzuvertrauen, um so göttlichen Beistand zu erhalten. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen, die Landstände gelobten im Namen des Volkes, das Herz-Jesu-Fest jährlich feierlich zu begehen. Dies hatte zur Folge, dass der
Landsturm einen bis dahin noch nie erlebten Zulauf an Freiwilligen erlebte. Als Andreas Hofer, einer der bekanntesten Freiheitskämpfer Südtirols, mit seinen Truppen überraschend in der Schlacht gegen die Franzosen und Bayern siegte, wurde der Herz-Jesu-Sonntag zum hohen Feiertag. Deshalb werden bei den Herz-Jesu-Feuern vor allem christliche Symbole wie Kreuze, Herzen und Kelche abgebrannt. Viele Einwohner feiern diese lang erhaltene Tradition mit einem gemütlichen Abendessen im Freien und wenn die Feuer dann entzündet werden, werden die verschiedenen Tiroler Lieder wie “Auf zum Schwur” oder ähnliches angestimmt.
Im Tannheimer Tal hat das Herz-Jesu-Feuer noch einen direkteren Ursprung. Als 1796 Napoleon I. mit seinen Truppen vor dem Tal stand, erbaten die Tannheimer den göttlichen Beistand des „Heiligen Herzen Jesu“ gegen die Eindringlinge und schworen das Herz-Jesu-Fest jährlich zu feiern. Listig, wie die Tannheimer waren, entzündeten sie viele kleine Feuer auf den Berggipfeln und überstülpten im Tal „Huantzen“ – Heutrockengestelle, mit Kleidung, sodass diese wie Menschen aussahen. Als Napoleon kam und die vielen Lichtquellen in den Bergen und das riesige Heer im Tal sah, zog er es vor, am Tal vorbei zu ziehen.
„Judith, 22 Komma 9", ruft Patrick, der Chef der Feuerwerker, der das Maßband hält und etwa 20 Meter weiter oben auf dem steilen Wiesenhang oberhalb Schattwalds steht. „22 Komma 9“ wiederholt Judith und stellt das Maßband an der gespannten Mittellinie ein. „Mess noch einmal, irgend etwas stimmt nicht. Haschts?“ Zehn Feuerkünstler aus Tannheim arbeiten gemeinsam für das Herz-Jesu-Feuer, das am nächsten Tag brennen soll.
Patrick hat ein religiöses Motiv, den Blasiussegen, zwei gekreuzte Kerzen werden von zwei Händen gehalten, im Maßstab eins zu Hundert entworfen. Ein Zentimeter auf der Zeichnung entspricht einem Meter auf der Wiese. 70 Meter hoch und 55 Meter breit soll das Motiv werden. Zuerst wird auf der steilen Bergwiese mit Schnüren eine Mittel- und eine Längsachse gespannt. „Kann i ziacha?“ fragt Julian und spannt die Schnur um mithilfe eines Steckens den Standplatz einer Feuerstelle zu markieren. „Ok. Die Stecken müssen genau platziert werden, sonst haben wir ein G’lump“ ruft Patrick. Wie ein riesiges Spinnennetz sind die weißen Bänder inzwischen über die Wiese gespannt. Wendig wie Gämsen kraxeln Patrick, Judith, Julian und Fabian auf dem Hang herum. Dann kommt der Einsatz der Dosensetzer. Die müssen erstmal alle Dosen den steilen Wiesenhang hochgeschleppt. Zuerst wird mit einer Hacke ein waagerechter Standplatz in die Wiese geschlagen und dann wird die Dose, die noch schwarz vom Ruß des Vorjahres ist, platziert. Nach kurzer Zeit sind die Dosensetzer genauso schwarz, wie die verrußten Dosen. Der Abstand der Dosen beträgt 30 bis 50 Zentimeter, damit das Motiv aus der Ferne gut zu erkennen ist. Seit acht Uhr früh schuften sie schon und um fünf Uhr ist erst mal Schluss. Geschafft, dann werden erst mal Würstchen gegrillt, die Hauptarbeit ist getan. Am nächsten Tag werden die Dosen mit Sägemehl und Rapsöl gefüllt und ab neun Uhr abends wird das Öl angezündet. In der Dunkelheit leuchtet das Motiv perfekt, die Feuerwerker sind stolz auf ihr Werk. Viele Besucher stehen in Schattwald im Tal und bewundern das brennende Kunstwerk, das sich kontrastreich gegen die Dunkelheit abhebt. Ein Zeichen des Widerstands, das heute noch immer in den Herzen der Tannheimer lodert. Dann geht es in die Feuerwehrhalle zum Feiern mit Schnitzel, Currywurst, Cola, Bier und Musik.
von Gabi Dräger
Über den Autor*Innen
Jörg Bornmann
Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.