Reit im Winkl - Winterwunderland für Fans der schmalen Brettl

Reit im Winkl - Winterwunderland für Fans der schmalen Brettl - (c) Norbert Eisele-Hein

Mit dem Nordic Plus-Konzept schafft das oberbayerische Reit im Winkl variable Traumrunden mit urigen Einkehrmöglichkeiten. Kurz vor der RausZeit, einem 9-tägigen Langlauf-Festival für Novizen und Könner, durften wir den ehemaligen Weltcup-Gesamtsieger und vierfachen Olympiamedaillengewinner Tobias Angerer in der Loipe begleiten. 

"Schon damals, als aktiver Wettkämpfer habe ich gerne auf den Loipen rings um Reit im Winkl trainiert. Die herrliche Landschaft der Chiemgauer Alpen hat mich stets motiviert. Und in den vielen urgemütlichen Hütten konnte ich wieder Energie tanken. Doch als Langlauf-Profi musste ich den Focus meist auf die Spur, die Pulsuhr und den Laktatwert richten", erzählt Tobias Angerer. Und der mehrfache Weltcup-Gesamtsieger und Olympia-Medaillengewinner ergänzt fast schon lyrisch: "Heute kann ich den Blick in die Landschaft schweifen lassen, kann das verschneite Sonntagshorn, das Funkeln der Schneekristalle im Gegenlicht, die Tannen mit ihrer zentnerschweren Schneelast - all die wundervolle Natur ganz intensiv in mir aufsaugen. Auch diese massive Felswand hier mit ihren kapitalen Eiszapfen, direkt am Aufstieg von Seegatterl nehme ich heute zum ersten Mal bewusst wahr. Wow, ich bin gerade dabei mich erneut Hals über Kopf in meine Heimat zu verlieben", schwärmt Tobias mit einem Augenzwinkern und drückt seiner Frau Romy noch einen dicken Kuss auf die Wange. Auch Romy Angerer ist eine erstklassige Langläuferin und ebenso begeistert vom neuen Nordic Plus-Konzept Reit im Winkls.

Aber alles der Reihe nach. Reit im Winkl erfreut sich dreierlei Höhenlagen, in denen der Winter meist länger und schneereicher ausfällt. Zudem sorgt das meteorologische Phänomen der Kaltluftseen meist für vermehrten Schneefall. Und in der Tat. Der Maserer Pass bildet im Winter häufig die Grenze. Während diesseits noch Grün die Landschaft dominiert, herrscht jenseits im Mikroklima von Bayrisch Sibirien bereits Winterstimmung Seit Rosi Mittermaier 1976 bei der Olympiade in Innsbruck jede Menge Edelmetall abräumte, sind die Winklmoos-Alm und Reit im Winkl ohnehin ein stehender Begriff im Wintersport. 

Auch der Spaß auf den zwei schmalen Brettern kann im Chiemgau auf eine lange Tradition zurückblicken: Bereits 1964 wurde im Nachbarort Ruhpolding die erste Skiwanderstrecke Deutschlands ausgeschildert. Schon ein Jahr später fand der erste Volkslauf statt. 1969 gründete die Firma Plenk die erste Langlaufschule Deutschlands und galt fortan auch lange Zeit als einer der weltweit besten Skiproduzenten. Die Biathleten haben sogar ein eigenes Zunftzeichen auf dem Maibaum. 

Der Chiemgau kümmert sich seit jeher vorbildlich um die Freunde des Nordischen Sports. Vom Novizen über den Fortgeschrittenen bis zum Profi kann sich dort jeder auf rund 500 Loipenkilometern abwechslungsreich austoben. Herzstück der Region ist die Chiemgau-Marathon-Loipe. Sie führt auf 35 Kilometern von Reit im Winkl über Ruhpolding nach Inzell. "Ja, auch die Chiemgau-Marathonloipe ist ein Gedicht", bestätigten Tobias und Romy. "Uns gefällt vor allem der Abschnitt zwischen dem Löden-, Mitter- und Weitsee, dem sogenannten Drei-Seen-Land, besonders gut. Da fühlst du dich manchmal tatsächlich wie in Kanada oder Alaska", schwärmt Tobias. „Mein Geheimtipp ist die Hemmersuppenrunde oberhalb der Hindenburghütte. Eine Prachtschleife mit gänsehaut-erzeugendem Panorama. Und der Hüttenwirt Günter Dirnhofer hat nicht nur ein feines Händchen für die Loipe auf der Hochebene. Was er und sein Team aus dem Holzofen zaubern ist schon großartig: deftige Braten, leckere Strudel ... und wenn der Multiinstrumentalist dann noch mit seinen Bergfex’n aufspielt, muss man enorm aufpassen, dass sich das Training nicht ungeahnt in die Länge zieht, ergänzt er lachend.“

Nun hat sich Reit im Winkl für die kommende Saison wieder mächtig für die Nordic-Fans ins Zeug gelegt. Stichwort Nachwuchsarbeit: Im Nordic- und Biathlon Park mit dem großen Langlaufstadium am Ortsrand wird zum Saisonbeginn die vermutlich erste Kinderloipe der Welt wieder eröffnet. Standard-Loipen zwängen kleinen Kindern aufgrund der zu weiten Schrittbreite eine unnatürliche Haltung auf. Um den Zwergerln aber von Anbeginn ungetrübten Spaß am Langlaufen zu vermitteln, haben sich die Reit im Winkler-Loipen-Verantwortlichen etwas einfallen lassen. In Kooperation mit der Firma Kässbohrer, dem Hersteller von Pistenbullys, haben sie eine spezielle, schmalere Spurplatte für Kids entwickelt. Der Nordic Park wird neben der bereits bestehenden Biathlon-Schießanlage noch mit Kicker, Bodenwellen, und Kinderfiguren aus Schaumstoff erweitert. So wird spielerisch die Technik des Langlaufens erlernt und es funktioniert später auch mit rasanten Abfahrten in der Loipe. Mehrmals wöchentlich wird die komplette Anlage noch mit Flutlicht illuminiert, um ambitionierten Langläufern - egal, ob jung oder alt - beste Trainingsmöglichkeiten zu bieten. Hier verschmilzt spielerischer Spaß mit herausragender Frühförderung. Vielleicht gibt es bald wieder OlympionikInnen aus dem Chiemgau? Gar aus Reit im Winkl? 

Das Nordic Plus-Konzept offenbart einen weiteren Wintersportknüller. Setzt dem ohnehin üppigen Langlauf-Angebot noch das Sahnehäubchen auf. Anstatt mehrfach fixe Runden zu drehen, haben die Reit im Winkler die Landkarte akribisch studiert und sind sogar Länder übergreifend aktiv geworden. Bestehende Loipen der Chiemgauer Alpen wurden kongenial mit den Salzburger Nachbarloipen im Heutal verknüpft. Unter der optionalen Zuhilfenahme von Shuttlebussen, der Gondelbahn von Seegatterl und dem Schlepplift hinauf zur Wildalm ergibt sich ein weiteres Netzwerk von Möglichkeiten. Die Sport Genuss-Runde endet nach 28 Kilometern und 200 Höhenmetern Aufstieg. Drei weitere Sportvarianten für Bronze, Silber oder Gold fordern Kondition für 39 km und 450 Höhenmeter, 45 km und 890 Höhenmeter, wer nach Gold strebt und die komplette Runde bei "fair means", also mit eigener Muskelkraft absolviert, kommt nach beachtlichen 50 Kilometern und 1250 Metern Höhenunterschied mit garantiert stolzgeschwellter Brust und ordentlich angesäuerten Oberschenkeln zurück ins Stadion. 

Bei der “RausZeit”, einem der größten Nordic-Festivals der gesamten Alpen, das bereits am 18.ten Januar startet, können sich Ambitionierte bei einem 24-Stunden-Rennen und einer Team-Trophy austoben. Novizen und Freizeitläufer bekommen Tipps von Profis. Wachskurse, Modenschauen und Foodtrucks im Langlaufstadion komplettieren das umfangreiche Programm.

Aber zurück in die Loipe. Das Ehepaar Angerer lässt es bei ihrer Testtour gemütlich angehen und entscheidet sich für die Bronzevariante. Nach einer Aufwärmphase vom Stadion in Reit im Winkl durch den tief verschneiten Zauberwald bis Seegatterl schweben sie mit der Gondel gemütlich hoch zur Winklmoosalm. "Eigentlich könnten wir jetzt gleich im Almstüberl einkehren. Dort ist der Kaiserschmarrn derart fluffig, der zergeht auf der Zunge", gerät Tobias ins Schwärmen. "Aber jetzt bringen wir erst einmal ein paar Kilometer unter die Brettl", lacht er und schiebt kräftig mit einem Doppelstockschub an. Die Loipe eröffnet ein wahres Winterwunderland. Weit reicht der Blick über die weiß gekleideten Hügel zurück zum Wilden Kaiser, der wie ein Monolith die Ebene dominiert, rüber zu den Loferer Steinbergen und bis hinein zu den markanten Felsabstürzen von Watzmann und Hochkalter, den Platzhirschen der Berchtesgadener Alpen. Die perfekt präparierte Loipe verbindet den Chiemgau über den Weiler Moarlack mit dem Salzburger Heutal. Die satte Rampe hoch zur Wildalm lässt sich mit dem rustikalen Schlepplift entschärfen. Dort eröffnet sich bei einem alkoholfreien Weißbier und deftigen Speck- oder Kaspressknödeln ein gewaltiges Panorama auf der Südterrasse. Achtung: Auch der hausgemachte Apfelstrudel und der dampfende Kaffee verleiten zum Schlendrian. Zu Füßen des Dürrnbachhorns geht es über eine schön geschwungene Loipe zurück auf die Winklmoosalm, wo zur Belohnung die Abfahrt nach Seegatterl winkt. Goldaspiranten müssen nochmal Wadenpower für 8 Kilometer zurück ins Stadion Reit im Winkls mobilisieren, es steht aber auch ein kostenloser Shuttlebus für die Rückkehr zur Verfügung. Tobias und Romy sind im Flow und flitzen geschwind zurück in den Nordic Park.

"Wow, Nordic Plus birgt einen phänomenalen Suchtcharakter. Die ständig wechselnde Landschaft beschert ein wahrhaftiges Transalp-Erlebnis", schwärmt Tobias. „Nicht zu vergessen die vielen Varianten für alle Konditionsstufen und all die urigen Hütten mit leckeren Hüttenschmankerln...“, fügt Romy lachend hinzu und hebt den Daumen weit nach oben.

Weitere Information finden Sie hier…
Tourist-Info Reit im Winkl, Dorfstr. 38, 83242 Reit im Winkl, Tel. 08640-800-20, www.reitimwinkl.de/nordic-plus , sämtliche Infos zu Shuttlebussen, Skiverleih, Wetter-und Schneebericht, Öffnungszeiten der Gondeln, Übernachtungs- und Einkehrmöglichkeiten, Karten und auch Langlaufkursen gibt es online.

Die Gästekarte bietet ein Gratisangebot an geführten Winterwanderungen, reduzierten Liftpreisen etc.

Einkehren: www.hindenburghuette.de, www.sonnenalm.de, www.almstueberl.de 

Veranstaltungstipp: vom 18. bis 26. Januar 2025 findet im Langlaufstadion die „RausZeit“ von Reit im Winkl statt. Ein 9-tägiges Langlauf-Event mit 24h Rennen, Team-Trophy, Wachskurs, Modenschau, Food-Trucks, Beratung durch Nordic-Profis ...

Über den Autor*Innen

Norbert Eisele-Hein

Der Münchner Fotojournalist Norbert Eisele-Hein finanzierte bereits sein Ethnologie-Studium in München und London mit bildgewaltigen Reisereportagen für namhafte Magazine. Ehe er sich vollauf der Outdoor- und Actionfotografie widmete, assistierte er bei zahlreichen Studiofotografen in München und London, um das Handwerk von der Pike auf zu lernen. Die Lust am Schreiben wuchs dabei beständig mit.