„Paga“ – das ist in der italienischen Umgangssprache das Wort für Lohn. Im Dialekt der Lessiner Berge bezeichnet die „paga“ aber die Weidefläche, die eine Kuh zum Grasen benötigt, um den maximalen Ertrag an Milch von 12- 15 Litern zu liefern. Und die Milch ist schließlich das wertvolle Rohmaterial, aus dem der Monte Veronese Rohmilchkäse hergestellt wird, von dem wiederum die Lessiner Almbauern leben. Also eben doch wieder Lohn, „paga“.
80 paghe hat Käser Franco Falzi hier auf seiner Malga Lessinia (Lessiner Alm) und diese 80 paghe versorgen derzeit 47 Kühe und 30 Jungtiere mit den aromatischen Kräutern und Gräsern der Lessiner Almwiesen. Francos Alm liegt nämlich auf 1200 Metern Höhe mitten im Naturschutzgebiet der Lessiner Berge nördlich von Verona. Hier oben, zwischen sanften grünen Hügeln und schroffen Gesteinskuppen, stellt Franco gemeinsam mit Kumpel Omero und Ehefrau Wilma den Monte Veronese nach jahrhundertealter Methode her. Für Stadtkinder, Feinschmecker und Käseliebhaber ist es ein ganz besonderes Erlebnis, diesen fröhlichen rotwangigen Herrschaften bei der Arbeit zuzusehen.
“Geht es euch noch gut?“, fragt der Fahrer unseres Kleinbusses besorgt, als er uns, eine Gruppe neugieriger deutscher Touristen, über eine unendlich lange Serpentinenstraße vorbei an Weinbergen, Olivenhainen und ausgedehnten Wiesen hinauf zur Malga Lessinia fährt. Zwar sind die vielen Kurven für empfindliche Mägen nicht gerade eine Wohltat,
doch sobald wir aus dem Auto steigen und sich die Lunge mit frischer klarer Almluft füllt, ist auch der Magen wieder im Lot. Bis zur nächsten Herausforderung: Im Hauptraum der Alm liegt ein kräftiger bis strenger Duft nach Käse und gestockter Milch in der warmfeuchten Luft. Hier steht Franco am riesigen Kupferkessel in Gummistiefeln und Gummischürze bereit und wartet auf seinen Einsatz. „Kann ich loslegen?“ fragt er mit breitem Grinsen in die Runde und nimmt unser gespanntes Kopfnicken stolz zur Kenntnis. „12-13 Laib Käse stellen wir hier pro Tag her, und zwar zur Hälfte den halbfetten, würzigen Monte Veronese d’Allevo mit 8-12 monatiger Reifung und den milden Vollmilchkäse Monte Veronese Latte Intero, der schon nach zwei Monaten köstlich schmeckt. Ansonsten produzieren wir noch Ricotta und Almbutter – das war’s“. Poco, ma buono – wenig aber gut – das ist Francos Motto.
Neugierig sehen wir zu, wie er und Omero die Milch in den riesigen Kessel gießen. Wie ein blütenweißer Schal aus weißer Seide fließt sie hinein und wird anschließend auf 38 °C erhitzt. „Jetzt fügen wir nur noch Lab und Salz dazu. Dann müssen wir 30 Minuten warten, bis die Käsemasse gerinnt“, erklärt Franco, während unser Blick ab und an in den Nebenraum schweift. Auf Holzregalen stapeln sich dort die zylinderförmigen Käselaibe in allen goldgelben Schattierungen. Erste knurrende Magengeräusche ertönen, doch Franco fordert erneut unsere Aufmerksamkeit. „Nun ist die Käsemasse geronnen und wird mit der chitarra in kleinste Brocken zerteilt.“ Der lange Holzstab mit den feinen Saiten sieht tatsächlich wie eine Gitarre (chitarra) für hochgewachsene Serenadenspieler aus. Na, ja wer weiß, der Tag ist noch lang...Während wir von einer romantischen Almnacht am offenen Feuer träumen, sind die beiden Käser schwer am Arbeiten. Sie legen die Käseformen aus massivem Holz mit Leintüchern aus, füllen die zähflüssige Masse hinein und pressen
sie fest. „Jetzt müssen die Guten nur noch eine Woche lang jeden Tag gesalzen werden und dann kommen sie zu den anderen in die Regale, wo wir jeden Laib täglich wenden“, erklärt Franco. „Aus der übriggeblieben Molke machen wir Ricotta, die wir zum Teil direkt unter dem Kamin räuchern. Hier wird nichts verschwendet.“
„Doch nun, meine Herrschaften, bitte zu Tisch.“ Wir freuen uns, dass nach der interessanten Theorie nun die schmackhafte Praxis folgt. Im gemütlichen Gastraum hat Ehefrau Wilma die Tische in schmuckem rot-weißem Karo eingedeckt. Aus der offenen Küche dampft es zu uns herüber und da ist es wieder, das Knurren im Bauchbereich. „Handgeschabte Gnocchi mit Butter und Käse (Rezept), dann Polenta mit Almkäse überbacken, dazu etwas Schinken und Wurst und als Nachtisch lauwarmer Apfelstrudel“, verkündet Signora Wilma das Menü, während vor unserem geistigen Auge der Zeiger an der Waage Kapriolen schlägt. Doch was soll’s - heute ist Almtag. Und so machen wir uns über die samtig zarten Gnocchi her, verdrücken Stück um Stück die würzige Polenta, dazu etwas frischen Speck und auch für den hausgemachten Strudel ist noch Platz. „Grappa gefällig?“ fragt Signora Falzi am Ende des köstlichen Mahls und grinst. Sie ist sich seiner Notwendigkeit durchaus bewusst. Wir sagen nicht Nein, bevor wir uns neben Francos glücklichen Kühen auf der Wiese zu einer wohlverdienten Schlummerpause niederlassen.
Info:
Malga Lessinia
Località Malga Lessinia
I-37020 Erbezzo (VR)
Tel: 0039 045 70 75 327 oder 0039 368 73 48 874
Menü mit Landwein: 15 €.
Anfahrt: Von Verona nach Grezzana und weiter über Stallavena auf einer Serpentinenstraße nach Erbezzo. Von Erbezzo weiter Richtung Sant’Anna d’Alfaedo. Nach drei Kilometern rechts abbiegen zum „Passo Fittanze“. Am Pass zunächst rechts und dann nach vier Kilometern links Richtung Podestaria. Ab hier führt eine etwa einen Kilometer lange Schotterstraße zur Malga Lessinia.
Text: Susanne Wess Bilder: Joachim Kraus