Der „Mullerlauf“ gehört zu den schönsten und traditionellsten Bräuchen in Tirol, er hat eine jahrhundertealte Tradition um den Winter zu vertreiben. Wild und heftig geht es oft dabei zu.
Laute Ziehharmonikamusik erschallt. Der „Ziachorgelspieler“ dreht ordentlich auf. Unheimliche Wesen stürmen in den Speisesaal im Hoferwirt in Neustift im Stubaital. Mit ihren gruseligen Masken versuchen sie den Winter zu beeindrucken und zu vertreiben. Mit der Ruhe ist es vorbei, es wird laut und unheimlich, denn gruselige Masken besetzen den sonst eher ruhigen Speisesaal. Zur Ziehharmonikamusik kommen die Klötzler scheppernd und klappernd angesprungen, dabei machen die Holzstücke an ihrer Kleidung einen ohrenbetäubenden Lärm. Je lauter sie klappern, um so eher vertreiben sie die Dämonen des Winters. So ein Kostüm wiegt schon mal 20 Kilos. Als Zweites kommt die Bärengruppe, ein Bärentreiber mit einem weißen und einem schwarzen Bären. Die Bären gehören in Tirol zu den ältesten Fasnachtsgruppen. „Bärle tanz" rufen die Bärentreiber ihren Tieren zu und wollen verhindern, dass sie in der Besuchermenge verschwinden oder einen Zuschauer einfangen, mitziehen oder wegtragen. Die Bären werden im Speisesaal gejagt und letztendlich vom Bärentreiber erschossen. Für die Bärendarsteller ist es ein harter Job in ihren Kostümen aus dickem Schafsfell, dafür frieren sie garantiert nicht.
Hexenalarm
Grimmig schauen die nächsten Fratzen mit den langen Nasen aus. Kinder verstecken sich schnell hinter ihren Eltern, wenn die Hexen auftreten. Mit ihren furchteinflößenden Masken wollen die Hexen den Winter vertreiben. Ruppig sind sie auch noch dazu, sie zerwühlen den Gästen gerne die Haare oder fegen mit einem Besen über deren Schuhe, um den Weg für den Frühling freizumachen. Einige Gäste werden „abgemullt“. „Abmullen" was ist das? Das ist ein heidnischer Brauch. Die „Muller“ geben einem Zuschauer einen kräftigen Schlag auf das Schulterblatt, damit wird Fruchtbarkeit, Gesundheit und Glück für das Jahr weitergegeben. Zur Belohnung gibt es dazu noch einen Schluck aus der Schnapsflasche. Mutige Kinder, die sich nicht verstecken, erhalten ein paar Süßigkeiten.
Weiße, Melcher, Spiegeltuxer und Zaggeler
Wenn die „Weißen“ erscheinen, dann wird es etwas ruhiger. Mit einer Gerte versuchen sie Gäste einzufangen, um sie anschließend abzumullen. Da sie den Frühling darstellen, sind sie traditionell mit einer weißen Leinenhose bekleidet, die mit bunten Bändern und Wollkugeln geschmückt sind. Dann kommen die „Melcher“, sie stellen den Sommer dar, das sind junge unerfahrene Burschen in kurzen Lederhosen, die schuhplattln. Die roten „Wadeln“ sind ihr Markenzeichen, die sie sich beim "Schuhplattln" zuziehen. Am beeindruckendsten ist die Hauptfigur, der Spiegeltuxer. Der mit Blumen, Spiegeln, Federn, Ketten und Goldquasten große und reich geschmückte Kopfschmuck des Spiegeltuxers kann zwölf bis vierzehn Kilo wiegen. Der Winter soll in die Spiegel schauen, sich vor seiner eigenen grässlichen Fratze erschrecken und dann davonziehen. Der Spiegeltuxer ist wohl die schillerndste und begehrteste Fasnachtsfigur. Es soll schon mal jemand seinen Baugrund für ein Spiegeltuxer-Kostüm verkauft haben, so wird gemunkelt. Trotz ihres schweren Kopfschmucks tänzelt der Spiegeltuxer leichtfüßig dahin und legt hin und wieder einen zünftigen Schuhplattler hin, für den er dann klatschenden Beifall erhält. Das Geräusch von Glöckchen kündigt die „Zaggeler“ an. Lässig tänzelnd bahnen sie sich den Weg, sie stellen den Herbst dar. Ihren Namen verdanken sie den bunten "Wollzaggeln", den bunten Quasten an ihrem blauen Kostüm.
Die grimmigen Zottler
Die Zottler sind die grimmigsten und wildesten Figuren. In ihren Fransenkostümen aus Rupfen mit einer finster dreinblickenden Maske symbolisieren sie den Winter. „Lass den Frosch aussi“, rufen die Einheimischen. Das Größte ist, wenn der Zottler einen „Frosch" macht. Er kniet nieder und beugt den Oberkörper über die Fersen nach hinten, bis sein Kopfschmuck den Boden berührt. In dieser Position dreht er seinen Kopf von einer auf die andere Seite. Für diese Kraftanstrengung erhält er jubelnden Applaus von den Zuschauern. Es ist Ehrensache, dass die Zottler keinen Alkohol trinken, denn die Froschfigur ist schwer und erfordert fast artistische Fähigkeiten.
Alle Kostüme sind handgenäht, das ist Ehrensache. Die Masken sind kunstvoll geschnitzt und im Familienbesitz. Mullerlaufen ist Männersache, Frauen sind nicht zugelassen. Wenn die Muller ihr Unwesen treiben, dann ist die stade Zeit vorbei. Bis zum Faschingsdienstag kann man sie in Gaststätten, Restaurants und Hotels antreffen und dann steht eh schon der Frühling vor der Türe. In der Brauchtumsgruppe in Neustift ist der jüngste Muller acht Jahre und der älteste Muller 80 Jahre alt. Der legendäre Mullerumzug findet abwechselnd in den sogenannten MARTHA-Dörfern statt. Dazu gehören Mühlau, Arzl, Rum, Thaur und Absam. Die Muller sind sehr erfolgreich, sie schaffen es in jedem Jahr aufs Neue den Winter endgültig zu vertreiben.
Weitere Informationen und Kontakt
Innsbruck Info, www.innsbruck.info
Tourismusverband Stubai Tirol, Stubaitalhaus, Dorf 3, A-6167 Neustift in Tirol, Tel.: +43-501881-0, info@stubai.at, www.stubai.at
Brauchtumsgruppe Neustift, www.brauchtumsgruppe-neustift.at
Stubaier Gletscher, Mutterberg 2, A-6167 Neustift, Tel.: 0043-5226-8141, info@stubaier-gletscher.com, www.stubaier-gletscher.com
Hotel Hoferwirt und Tiroler Wirtshaus Hoferwirt, Werner und Angelika Zittera, A-6167 Neustift im Stubaital, Tel.: 0043-5226-2201, info@hoferwirt.at, www.hoferwirt.at
Über den Autor*Innen
Gabi Dräger
Wo findet man Gabriele Dräger in den Bergen? Natürlich in einer Alm bei einer Brotzeit., denn Almen mit guter Küche ziehen sie magisch an. Gipfel nimmt sie auch hin und wieder mit. So hat sie einige 5.000er beim Trekking in Süd Amerika und Nepal, bestiegen. Ihre Hochleistung war der Kilimandscharo mit 5.895 Meter. Kultur und Brauchtum faszinieren sie genauso, wie Städte und Kunstausstellungen. Obwohl sie gerne in urigen Berghütten übernachtet ist sie dem Luxus von guten Hotels nicht abgeneigt.