Die Maremma – der toskanische Geheimtipp

Der Blick auf das Städtchen Sorano allein ist schon die Reise in die Maremma wert - (c) Jörg Bornmann

Es ist Anfang Juni und ich bin auf dem Weg in die Toskana, genauer gesagt in die Maremma. Wahrscheinlich geht es vielen Deutschen so wie mir gerade, Maremma, schon gehört aber wo genau befindet sich diese Region? Fast jeder kennt Florenz, Pisa, Siena oder San Gimignano und könnten die Orte auf einer Italienkarte nahezu perfekt einzeichnen. Viele haben schon einmal Urlaub auf Elba gemacht. Aber wo findet man die Maremma, was erwartet uns dort?

Genau diese Fragen gehen mir jetzt durch den Kopf. Da ich vor Ort mit Anna, sie ist Teil des Teams von Sentieri de Toscana, eine italienische Reisebegleitung habe, lasse ich mich nahezu unvorbereitet auf diese für mich neue Region ein. Ich kann bereits verraten, dass ich äußerst positiv überrascht werde. Natürlich sind mir als Sommelier die Weine aus der Maremma ein Begriff, natürlich habe ich von den Etruskern gehört und gelesen, die dieser Region einen ersten Stempel aufdrückten, aber was mich bei meiner Reise erwartet, übertrifft alle meine Erwartungen.

Doch bevor wir in das Erlebnis eintauchen eine kurze Einordnung. Die Maremma gehört in großen Teilen zur Toskana, genauer gesagt zur Provinz Grosseto. Man findet diese Region südlich der Provinz Livorno, zu der auch die Insel Elba und einige andere bekannte Ferienorte gehören. Die Maremma beginnt südlich davon und zieht sich bis ins nördliche Latium. Zur Vereinfachung finden Sie in der Bildgalerie auch eine Landkarte.

Maremma steht ursprünglich im Italienischen für sumpfiges Küstenland, heute wird der Begriff allerdings gezielt für diesen Teil der Toskana genutzt. Erst im 18. und 19. Jahrhundert starteten die Großherzöge der Toskana ein flächendeckendes Rekultivierungs- und Entwässerungsprogramm für das Land. Nicht zuletzt um die damals grassierende Malaria, der viele Menschen zum Opfer fielen, in den Griff zu bekommen. Doch die Geschichte der Maremma reicht deutlich weiter zurück. Wie römische Quellen berichten, legten bereits die Etrusker durch Kanalsysteme Teile der Maremma trocken. Doch mit den Römern und in der Spätantike wurde das Land wieder sich selbst überlassen. Die Etrusker waren auch die ersten, die das Potenzial des Gebiets für den Weinbau erkannten und bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. Wein produzierten. Die Krüge und Vasen, die in der Nähe der Gräber gefunden wurden, und die bronzenen Votivstatuetten, auf denen den Göttern Schnittwerkzeuge dargebracht werden, sind ein lebendiges Zeugnis dafür. Viele Amphoren, die einst Wein enthielten, wurden auch in Südfrankreich gefunden, mit Stempeln, die beweisen, dass sie aus der Maremma stammen. Auch trieben die Etrusker von hier aus regem Handel mit Griechenland und dem Orient. Doch genug der Historie, kommen wir zurück zu meiner Reise und den unvergleichlichen Eindrücken, die ich in der Maremma erfahren durfte.

Wandern auf den Spuren der Etrusker
Anna holt mich am Flughafen in Florenz ab. In den kommenden sechs Tagen wird sie mir ihre Heimat näherbringen. Wir fahren nach Sorano und wandern dort zu den Höhlenwohnungen aus den Zeiten der Etrusker. Anna erklärt mir vieles zu den Lebensgewohnheiten der Etrusker. Wohnhöhle klingt für viele zunächst einmal primitiv, aber schnell überzeugen mich Annas Geschichten zu den Lebensgewohnheiten der Etrusker vom Gegenteil. Bis zu drei Stockwerke hatten die Wohnhöhlen, man machte sich früh die geologischen Eigenschaften der Tuff-Region zu Nutze und legte komplette Siedlungen in der Region an. Viele kann man heute noch bestaunen. Auch die über 200 Wohnhöhlen von Vitozza bei San Quirico bei der Wanderung am darauffolgenden Tag nehmen uns gefangen. In San Quirino wohnen heute viele Familien, die noch vor wenigen Generationen Wohnhöhlen in Vitozza ihr Eigen nannten. Manch eine ehemalige Wohnhöhle am Rande der Siedlung werden noch heute als ‚klimatisierter‘ Lagerraum genutzt. Ein Highlight ist sicherlich der Besuch des Parco Archeologico bei Sovana. Hier zeigt sich, wie hochentwickelt die Kultur der Etrusker war. Zahlreiche Grabmahle lassen uns erahnen welche Kunstfertigkeiten sie besaßen. Einen ausführlichen Bericht und Informationen zu den Wanderungen im Tuff-Gebiet finden Sie hier…

Wandern und Sightseeing auf der Halbinsel Monte Argentario
Monte Argentario lockt den Maremma-Urlauber gleich mit drei absoluten Highlights. Ein ausgedehntes Wanderwegenetz lässt uns Naturliebhaber die wunderbare Natur der Halbinsel erkunden. Eine Wanderung zum Torre di Capo d’Uomo, oder eine Promenaderunde von Porto Santo Stefano, nur zwei Beispiele der vielseitigen Wandermöglichkeiten. In Santo Stefano kann man dabei in die mittelalterliche Architektur eintauchen. Man hat das Gefühl, die Geschichte des Mittelalters hier mit beiden Händen greifen zu können. Und auch in die Kombination von Wander- und Badeurlaub ist hier ein Erlebnis, findet man doch einige der schönsten Strände der Toskana. Wir haben hier für Sie die schönsten Wanderungen auf der Halbinsel Monte Argentario zusammengestellt…

Mit dem Fahrrad im Parco regionale della Maremma
Auch mit dem Fahrrad kann man die Maremma sehr gut erkunden. Besonders schön sind Touren durch den Parco regionale della Maremma. Er erstreckt sich über 25 km entlang der Küste. Der Park wurde 1975 als zweiter Regionalpark Italiens gegründet und ist heute einer von sieben Regionalparks in Italien. Auf der Radtour durch den Regionalpark begleitet uns neben Anna auch Francesco, der ebenfalls bei Sentieri di Toscana als Radguide tätig ist. Wir teilen die Fahrradtour in zwei Etappen. Während wir am Vormittag die Ruinen des Klosters und der Kirche von San Rabano besuchen, geht es nach einem wunderbar traditionellen und regionalen Lunch im Altro in Alberese, weiter mit den Fahrrädern entlang von Sandklippen, durch einen märchenhaften Pinienwald direkt an die Küste des Tyrrhenischen Meers. Entlang der Küste radeln wir dann nordwärts und endlich sehen wir die berühmten Maremma-Rinder, die imposant mit ihren Hörner gemütlich auf den offenen Weideflächen grasen. Betreut von den Cowboys der Maremma, den Butteri.

Nachhaltiger Fahrrad- und Wanderurlaub in der Maremma
Einer der Höhepunkte des Jahres 2024 bei der Förderung von Nachhaltigkeitsprojekten ist Grosseto, das Zentrum der Maremma. Die Stadt wurde dafür ausgezeichnet, einen nachhaltigen und innovativen Tourismus zu fördern. Deshalb trägt Grosseto in diesem Jahr mit Stolz den Titel "Green Pioneer of Intelligent Tourism 2024" der Europäischen Kommission. Die charmante Stadt ist das Zentrum der malerischen Landschaft der Maremma. Sie bietet eine fesselnde Mischung aus Geschichte, Kultur und natürlicher Schönheit. Die Ursprünge der Stadt reichen ebenfalls bis in die Zeit der Etrusker zurück. Grosseto verfügt über ein reiches historisches Erbe, das sich in der gut erhaltenen Architektur und den historischen Stätten widerspiegelt. Das Herzstück der Nachhaltigkeitsaktivitäten von Grosseto ist das Engagement für den Erhalt der Naturlandschaft. Etwa 30 % der geschützten Fläche von Grosseto sind der Landwirtschaft gewidmet und bilden die Grundlage für den Agrotourismus. Allein der Park der Maremma bietet 32 hochwertige Agrotourismus-Initiativen für alle Interessengruppen. Das ganze Jahr über werden Kochkurse, Führungen zum Sammeln und Verarbeiten von lokalen Rohstoffen, Verkostungen lokaler Produkte und Fahrradtouren für Liebhaber der Natur angeboten. Die im Jahr 2023 erhaltenen Auszeichnungen, darunter die "Blaue Flagge" für die Qualität der Strände, das Label "Spighe Verdi" ("Green spikes") als nachhaltige Kommune und die "Gelbe Flagge" als Auszeichnung für eine "Fahrradstadt", bestätigen, dass Grosseto ein Beispiel dafür ist, wie die Entwicklung des Tourismus mit ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit kombiniert werden kann.

Die kulinarischen Versuchungen der Maremma
Regionale Gerichte findet man in der Maremma reichlich. Wir haben eine Reihe von Rezepten zusammengetragen. Ein besonderes Projekt ist VETERINA TOSCANA. Um die Verbindung zwischen Herstellern, Feinschmeckerläden und Gastronomen, zwischen Tourismus, Kultur und Landwirtschaft besser zu zeigen schufen die toskanische Regionalregierung und Unioncamere mit VETRINA TOSCANA ein Netzwerk und Vermarktungsgemeinschaft, die es schafft, viele Interessen zu bündeln. Ein Schaufenster des guten, toskanischen Geschmacks.

Dass dieses Projekt von allen Seiten angenommen wird und sehr gut funktioniert, zeigen zwei Beispiel, zum einen die Osteria L’Ottova Rima. Nicola, der Inhaber, serviert seinen Gästen typische regionale Produkte wie z.B. Crostino del Capacciolo (Salsiccia tipica soranese con Patate) e insalata di fagioli soranesi, einer Kartoffelwurst aus der Gegend um Sorano und einen Bohnensalat mit ebenfalls in dieser Gegend typischen Bohnen. Eine ‚trockenen Suppe‘ - Zuppa secca con biscotto di Roccalbegna e Salsiccia, kommt genauso auf meinen Tisch wie Tartare di Razza Maremmana. Fleisch ist sicherlich die Grundlage der Küche in der Maremma. Viele Wurstspezialitäten lerne ich im Laufe der nächsten Tage noch kennen. Und wie selbstverständlich serviert mir Nicola regional, typische und sehr gut mit den Speisen harmonierende Weine.

Das zweite Beispiel ist der Käsehof Agro Biologica Le Tofane. Ich besuche ihn bei meiner Fahrradtour durch den Parco regionale della Maremma. Der Betrieb der Familie Francioli ist vollständig biologisch zertifiziert. 25 Hektar Weidefläche innerhalb des Maremma-Parks, weitere 21 Hektar Nachbargrundstücke hat man dazu gepachtet, bieten genügend Gras, um eine konstante Weidehaltung der Schafe zu garantieren. Die gewonnene Milch wird in der hofeigenen Molkerei zu hochwertigen Produkten genutzt. Allem voran findet man den Pecorino Toscano. Im eigenen Käseladen kann man diesen und Spezialitäten wie Ricotta-Käse und Schafsjoghurt verkosten. Die Abnahme durch die Gastronomie in der Region ist ein wichtiges Standbein für den Käsehof.

Weinbau und Weintourismus
Weinbau und Weintourismus spielen in der Maremma bereits seit Zeiten der Etrusker eine große Rolle. Oftmals noch in der Tradition meist aber mit modernster Kellertechnik zeigen die Weingüter in der Maremma, welche Vielfalt sie dem Weinliebhaber präsentieren können. Dabei spielt die vielfältige Struktur der Weingüter sicherlich eine große Rolle. Hier findet man kleine Weingüter mit wenigen Hektar Anbaufläche, genauso wie große familiengeführte Betriebe und auch Genossenschaften. Wir haben mit den Weingütern La Biagiola, Weingut Petra und Cantina Vignaioli del Morellino di Scansano drei Weingüter besucht, die genau diese drei Betriebsarten repräsentieren. Alle haben ihre eigenen Philosophie, Wein zu produzieren und doch ist ihnen eins gemein, das Ziel den Wein aus der Maremma in hoher Qualität zu produzieren und so den internationalen Ruf dieser Weine weiterhin hochzuhalten. Der Weintourismus spielt inzwischen, wie in vielen europäischen Weinbauregionen, eine herausragende Rolle. So werden Kellerführungen, Wanderungen oder Fahrradtouren durch die Weinberge und oft auch die Möglichkeit auf dem Weingut zu übernachten angeboten.

Das toskanische Volkslied ‚Maremma amara‘ erzählt von der ‚bitteren Maremma‘, die zu verdammen sei, weil sie dem Erzähler die Liebste nahm. Ein Lied aus längst vergangener Zeit, denn heute ist die Maremma für alle Genuss-, Wander- und Radlfreaks ein lohnendes Reiseziel, das es zu entdecken gilt. Ich habe mich ein wenig in dieses raue, aber oftmals doch liebliche Juwel Italiens verliebt.

Weitere Informationen und Artikel zur Maremma finden Sie hier…
Wanderfreak
Wandern auf den Spuren der Etrusker
Wandern auf der Halbinsel Monte Argentario
Geführte Wandertouren in der Maremma

Radlfreak
Im Parco regionale della Maremma
Radtouren im Parco regionale della Maremma (mit Tourbeschreibungen und Tourenkarten)
Buchbare Touren im Parco regionale della Maremma

Agrotourismus und Lebensmittelproduktion
Der Käsehof Agro Biologica Le Tofane in der Maremma
Vetrina Toscana - Ein Schaufenster des toskanischen Geschmacks

Weinbau und Weintourismus
Auf den Spuren von Famiglia Cecchi und DoctorWine
Petra - Weingut und Naturoase
Cantina Vignaioli del Morellino di Scansano (mit Weinempfehlungen)
Weingut La Biagiola

Restaurants und regionale Rezepte
Der Geschmack der Maremma
Essen im Altro in Alberese
En Osteria L'Ottava Rima in Sorano

Drei sehr unterschiedliche Hotelempfehlungen für Ihren Maremma-Urlaub
Eine landwirtschaftlich geprägte Unterkunft ist der Agriturismo et Ristorante Giuncola & Granaiolo in Rispescia (Grosseto)
Wer schon immer einmal romantisch in einer Festung schlafen wollte ist hier genau richtig Hotel Della Fortezza in Sorano
Eine exklusive Unterkunft findet man auf Monte Argentario im Boutique Hotel Torre di Cala Piccola

Weitere Angebote
Geführte Touristische Angebote in der Maremma

Über den Autor*Innen

Jörg Bornmann

Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.