„Hört ihr Leut’ und lasst euch sagen...“, so erschallte früher das Nachtwächterlied in Steyr. Mit den heutigen Nachtwächtern Renate und Ignatz gibt es eine Tour durch Steyr der anderen Art. Jeder Schritt und Tritt ist Geschichte und verköstigt wird man auch noch dabei. Der Nachtwächterrundgang „Dine-around“ beginnt am späten Nachmittag im Gasthof Schwechater. Zur Einstimmung gibt es ein Bier oder ein Glas Sekt im Gasthof Schwechater und eine Einführung. Männer, die früher keinen Beruf erlernt hatten und arme Teufel waren, hatten die Chance Nachtwächter zu werden. Sie mussten darauf achten, dass die Sperrstunde eingehalten wird, vor allem in den Wirtschaften. Die zwei heutigen Nachtwächter Renate und Ignatz tragen eine schwarze Pelerine, einen Hut der an einer Seite hochgeklappt ist, eine Hellebarde, ein Horn und eine Laterne. Dann wird die Kondition mit dem Aufstieg im Turm, der Stadtpfarrkirche das „Steyrer Münster“, gefordert. 228 Treppenstufen sind es bis zur Stube der Feuerwächter. Die Aussicht ist herrlich, der Blick schweift im Abendrot zum beleuchteten Stadtplatz in Steyr bis hin zu den Kalkalpen am Horizont. Wenn die Steyr in die Enns fließt verliert sie ihren Namen, dafür erhält der Ort an der Einmündung den Namen Steyr. Zwischen den beiden Flüssen steht das große Barockschloss der Grafen Lamberg, das nach einem Stadt- und Burgbrand im 18. Jahrhundert erbaut wurde. Die Nachtwächter hatten auch die Aufgabe einen Brand zu melden. Die Brauereien wurden früher schon wegen der Brandgefahr aus der Altstadt in die Umgebung ausgelagert und damals gab es in der Stadt auch schon ein Rauchverbot. Wer beim Pfeife rauchen erwischt wurde, der bekam zwei Tage Arrest. Beim Abstieg vom Turm der Stadtpfarrkirche läuten gerade die Glocken und man hat das Gefühl der ganze Turm vibriert leicht.
Stabpuppentheater
Der nächste Stopp ist etwas ganz Besonderes. Zuerst wird man mit Mineralwasser, Bier oder Wein und belegten Semmeln und Broten verwöhnt, so ist man für eine Aufführung mit dem lustigen Kasperl gestärkt. Die Stabpuppenbühne ist das „Steyrer Kripperl“, sie ist aus dem 19. Jahrhundert und ist eines der ältesten Stabpuppentheater in Europa. Früher wurden mit Wanderbühnen und Stabpuppen Theatervorstellungen in Gasthäusern aufgeführt. Von schlichten Holzbänken aus, sieht man die in drei Stufen angelegte Krippenbühne. Im unteren Teil befindet sich der Stall zu Bethlehem, im Mittelteil der Bühne sind Handwerker untergebracht und der obere Teil zeigt Steyr als biedermeierliche Krippenstadt und ist Schauplatz für das normale Leben. In der Szenerie der Krippe gibt es in der Mitte eine Bühne auf der 20 bis 30 Zentimeter große Puppen, die auf Stäben befestigt sind und von Spielern bewegt werden. Das ist ein Knochenjob, denn die Spieler müssen oft in gebückter Haltung die Puppen bewegen.
Die gute Stube
Dann geht es wieder in die Kulisse der Altstadt zum Stadtplatz, die gute Stube von Steyr. Er wurde bereits im 1300 Jahrhundert als Marktplatz erwähnt. Die üppig dekorierten Fassaden der Häuser spiegeln die Blütezeit der „alten Eisenstadt“ im 15. und 16. Jahrhundert wider. Steyr war reich durch den Eisenhandel. Die Enns war der Transportweg und das Wasser der Steyr trieb 50 Mühlen der Schmieden an. Der Stahl aus Steyr hatte Weltruf, er war besonders gut. Eisen wurde in Europa verkauft und Seide, Wein, Gewürze und Glas wurden dafür eingekauft und nach Steyr gebracht und verkauft. Ein Haus bezeugt besonders den damaligen Reichtum der Stadt. Es ist das Wahrzeichen der Stadt, das „Bummerl“. Es gehörte dem reichen Eisenhändler Prandstetter. Kaiser Maximilian, der immer in Geldnöten war, besuchte ihn oft um sich Geld von ihm zu leihen. Später wurde das Haus zum Gasthaus „Zum Goldenen Löwen“. Die Skulptur des goldenen Löwen gleicht eher einem kleinen dicken Hund, deshalb wird das Haus im Volksmund liebevoll „Bummerl“ genannt. Heute ist die Sparkasse in dem gotischen Bürgerhaus untergebracht. Der Innenhof ist, wie viele Häuser in Steyr, mit Arkaden und Steinsäulen geschmückt, man glaubt in Italien zu sein. Das Rathaus im prachtvollen Rokoko-Stil mit einem Turm und vier großen Skulpturen auf der Balustrade, erinnert es an ein fürstliches Schloss. Neben dem hellblauen Sternhaus mit vielen Putten steht das Schubert Haus. Der Komponist Franz Schubert war oft zu Gast in Steyr. Er schrieb an seinen Bruder: „In dem Haus, wo ich wohne, befinden sich acht Mädchen, beinahe alle hübsch. Du siehst, dass ich zu tun habe.“ Er soll kein Kostverächter gewesen sein. Sein Forellenquintett hatte er für den Hausbesitzer komponiert und es wurde auch in Steyr uraufgeführt. Es heißt, er soll durch seine Spaziergänge an der Steyr und Enns, dazu inspiriert worden sein. In Steyr stehen 600 Häuser unter Denkmalschutz und allein am Stadtplatz gibt es 60.
Dudelsackmusik
Der nächste Stopp der Nachtwächtertour geht über die Steyrerbrücke zur barocken Michaelerkirche aus dem 17. Jahrhundert. Am Giebel zwischen den beiden Türmen zeigt ein Fresko den heiligen Michael mit den gefallenen Engeln. Gleich nebenan liegt das Bürgerspital, in dem befindet sich heute das erste österreichische Weihnachtsmuseum. Dann geht es in die Tiefe in ein altes Gewölbe den „Michaelerkeller“. Hier wird eine heiße Suppe serviert und dazu wird Musik mit Dudelsack und Leier gespielt und man fühlt sich in eine andere Zeit versetzt. Diese Musik war im Mittelalter in der Region sehr verbreitet. Ihren Ursprung hatte die Musik vor 4000 Jahren in Persien, die Kreuzritter hatten die Musik nach Europa mitgebracht.
Dann kommt der krönende Abschluss der Nachtwächtertour, das Abendessen im Gasthof Schwechater. Das „Dine-Around“ Menü beginnt mit einem Kräuterschaumsüppchen und einem Reiterweckerl. Danach folgen Zander und Saibling auf Gemüserisotto, wer Fleisch mag kann sich für Freilandhendlbrust mit Linsenrisotto an süß-saurer Biersauce entscheiden. Als Nachtisch folgt ein Schoko-Nuss-Kuchen mit Bockbierchateau.
Kontakt
Oberösterreich Tourismus, www.austria.info
Tourismusverband Steyr, Stadtplatz 27, A-4402 Steyr, info@steyr.info, www.steyr.info, www.christkindlregion.com
Weiter Infos
Die Nachtwächtertouren werden das ganze Jahr über angeboten.
Stadtführung mit Aufstieg auf den Turm jeden Do. und Sa.
Nachtwächtertour mit „Dine Around“, mit Essen, jeden dritten Freitag im Monat.
Gasthof Schwechater, Familie Pötzl, Leopold-Werndl-Straße 1, A-4400 Steyr, Tel.: +43-7252-53067, office@schwechaterhof.at, www.schwechaterhof.at
Über den Autor*Innen
Gabi Dräger
Wo findet man Gabriele Dräger in den Bergen? Natürlich in einer Alm bei einer Brotzeit., denn Almen mit guter Küche ziehen sie magisch an. Gipfel nimmt sie auch hin und wieder mit. So hat sie einige 5.000er beim Trekking in Süd Amerika und Nepal, bestiegen. Ihre Hochleistung war der Kilimandscharo mit 5.895 Meter. Kultur und Brauchtum faszinieren sie genauso, wie Städte und Kunstausstellungen. Obwohl sie gerne in urigen Berghütten übernachtet ist sie dem Luxus von guten Hotels nicht abgeneigt.