Karwendelgold von Martin Schemm

Karwendelgold von Martin Schemm - Ein tödliches Geheimnis (Karwendel-Krimi) - (c) Rother Bergverlag

 

 

Habgier und Mord, ein Familiendrama und ein tausendjähriges Geheimnis in den Bergen …

Als der Taugenichts Max Hüttinger im Internet uralte Pergamentseiten anbietet, die seit Generationen im Besitz seiner Familie sind, nimmt das Unheil seinen Lauf. Nicht nur, dass er gegen den Willen des jähzornigen Vaters handelt – es erscheinen in Garmisch gleich mehrere rivalisierende Interessenten, die in den lateinischen Texten den Schlüssel zu einem alten Geheimnis im Karwendel wittern. Eines Morgens wird einer der Männer ermordet in seinem Hotelzimmer gefunden.

Kommissar Ignaz Greibl nimmt die Ermittlungen auf. Zur gleichen Zeit beobachtet der Bergsteiger Henning Franke beim Kletterurlaub im Karwendel seltsame Geschehnisse am Fuß der Kreuzwand: Männer scheinen dort fieberhaft etwas zu suchen. Während Greibl dem Mörder auf die Spur zu kommen versucht, beginnt ein gefährlicher Wettlauf um das Rätsel in den Bergen. Auch Kletterer Franke wird in die dramatischen Ereignisse hineingezogen …

Rother Bergkrimi
1. Auflage 2014
208 Seiten Format 13,5 x 20,5 cm
kartoniert
EAN 9783763370689
ISBN 978-3-7633-7068-9
12,90 € [D] • 13,30 € [A] • 16,90 SFr
Alle Preisangaben inkl. ges. MwSt.

Leseprobe

Nach knapp einer halben Stunde Kletterei hatte Franke die ersten drei Seillängen ohne Probleme hinter sich gebracht. Er stand auf einer schrägen Rampe, die in einen ungefährlichen Bereich der Wand führte. Von hier aus wandte sich die Route nun wieder nach rechts und es begann eine einfache Kletterei über Stufen und Schrofen hinweg aufwärts. Nach ein paar Schritten entdeckte Franke einen geeigneten Standplatz: Er klinkte den Karabiner in einen Bohrhaken, setzte sich auf eine Felsnase und trank aus seiner Wasserflasche. Mit einem Blick auf das Topo in seinem Smartphone stellte er zufrieden fest, dass er bereits ein Drittel des Soldatenwegs bewältigt hatte. Beiläufig registrierte er, dass er hier droben kein Netz hatte. Schließlich steckte er das Gerät wieder weg und lehnte sich zurück.

Das Panorama, das vor ihm ausgebreitet lag, war wunderbar: Jenseits der Isar erstreckten sich die Berge und Täler des Werdenfelser Landes, das Estergebirge und die fernen Höhen des Ammergebirges bis zum Horizont. Als er den Blick auf die nahe Umgebung lenkte, auf den Nadelwald des Ochsenbodens und das untere Ende des Dammkars, fielen ihm zwei Gestalten ins Auge. Von den Gästen oben auf der Hütte einmal abgesehen, waren sie die einzigen Menschen, die in der Landschaft zu sehen waren. Sie befanden sich auf dem Ochsenbodensteig, der am Fuß der Kreuzwand vorüberführte.

Als er die beiden, die auf die Entfernung hin kaum mehr als Streichholzgröße hatten, eine Weile beobachtete, merkte er, dass sie sich gar nicht vorwärts bewegten. Vielmehr verharrten sie auf der Stelle und stiegen immer mal wieder das kurze Stück hinauf an den Fuß der Kreuzwand. Dort   schienen sie dann einen Moment lang zu verweilen, ehe sie wieder abstiegen und das Ganze dann an anderer Stelle links oder rechts davon wiederholten.

Als Franke das seltsame Treiben eine Weile verfolgt hatte, fielen ihm die zwei Männer ein, die er am Vortag am selben Ort beobachtet hatte. Konnten das wieder die beiden sein? Das merkwürdige Gebaren würde zu ihnen passen. Es wollte sich ihm weder ein System noch ein Sinn hinter dem, was er da sah, erschließen. Die beiden schienen lange den unteren Bereich der Bergwand zu betrachten, der für Franke nicht erkennbar war.

Die Sache war mysteriös. Vielleicht waren es Kletterer bei einer Routenplanung oder Geologen, die wissenschaftliche Forschungen betrieben? Franke schüttelte den Kopf und trank noch einen Schluck Wasser. Mit einem letzten Blick in die Tiefe rüstete er sich schließlich wieder zum Aufbruch.

Zunächst war der Aufstieg technisch einfach und führte über felsige Stufen und Bänder hinauf, dann folgte nach kurzer Zeit ein steilerer, schwierigerer Wandabschnitt. Hier ging es nun senkrecht empor über steile Felsplatten, die in Stufen übereinander standen. Die Kletterei erreichte wieder den dritten Grad, und erneut war Franke dankbar für die Sicherungsringe und Haken, die ihm immer wieder gesicherte Verschnaufpausen ermöglichten.

Die sechste und siebte Seillänge forderten nun noch einmal Frankes Konzentration und klettertechnisches Können, ehe er die Platten schließlich durchstiegen hatte und auf einem relativ breiten Band herauskam. Zufrieden mit sich und seiner Leistung hielt er inne und wandte unweigerlich den Blick wieder hinunter zu der Stelle, wo er eben die beiden Männer gesehen hatte. Die seltsame Geschichte ließ ihm keine Ruhe: Was machten die dort nur?

Erneut setzte er sich auf einen Felsbrocken und sah in die Tiefe. An dem merkwürdigen Verhalten der beiden hatte sich nicht viel geändert. Noch immer schienen sie dort am Fuß der Kreuzwand irgendetwas zu suchen – anders vermochte Franke es nicht zu deuten. Sie hatten weiterhin die Bergwand im Fokus und wirkten nun irgendwie aufgeregt, wenn er die Gesten richtig interpretierte. Obwohl er eigentlich kein allzu neugieriger Mensch war, interessierte es ihn doch, um was es da bloß ging.

Schließlich wandte sich Franke wieder dem Soldatenweg zu. Es war inzwischen nach zwölf, und laut Topo war es nicht mehr weit. Technisch einfach ging es zunächst über ein Felsenband und danach durch eine Rinne aufwärts. Die letzte Seillänge wartete dann noch mit einem Überhang auf, unter dem es eng hinaufzuklettern galt. Dann schließlich war der Ausstieg erreicht. Franke trat über eine letzte Stufe empor und war in flacherem Gelände.

Über Felsen und Grasflächen hinweg führte eine Trittspur hinauf zum Gipfel des Predigtstuhls, der nur ein kurzes Stück entfernt war. Unter einem Holzkreuz, das mit abgespannten Eisenseilen gegen Sturm gesichert war, sah Franke drei Bergsteiger sitzen – zweifellos die Seilschaft, die vor ihm geklettert war. Die Männer schienen ihre Gipfelrast gerade zu beenden, denn sie packten ihre Rucksäcke zusammen und die sicherlich fünfzig Meter langen, aufgerollten Kletterseile.

Als Franke unter das Holzkreuz trat, wünschte man sich gegenseitig noch ein freundliches „Berg Heil“, ehe sich die Truppe an den Abstieg machte. Er sah auf die Uhr: Es war Viertel vor eins. Er hatte die Route demnach in weniger als zwei Stunden bewältigt und war sehr zufrieden mit seiner Leistung.

Er setzte sich ins Gras, holte die Kekse und den Apfel aus seiner Bauchtasche und verspeiste sie genüsslich. Die Aussicht war großartig: Von hier droben kamen nun noch mehr Berge ringsherum in Sicht und auch Mittenwald drunten im Isartal war nun zu sehen. Direkt zu Füßen des Predigtstuhls wirkte die Dammkarhütte so klein wie ein Miniaturmodell; die davor sitzenden Gäste waren kleine Farbpunkte. Unweigerlich zog es Frankes Blick dorthin, wo er am Fuß der Kreuzwand die beiden Männer beobachtet hatte. Doch der Bereich war von seinem jetzigen Standort aus nicht einsehbar.

Franke genoss noch eine Zeitlang das weite Panorama und den wärmenden Sonnenschein. Er setzte den Helm ab und strich sich über das kurz geschnittene, ergraute Haar. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Hinterkopf und der Nacken verschwitzt waren. Auch sein Sweatshirt war am Rücken und unter den Achseln feucht geworden. Nun, da er zur Ruhe kam, spürte er, dass ihn die Tour mehr beansprucht hatte als gedacht. Die Muskeln in Waden, Schenkeln, Schultern und Oberarmen machten sich bemerkbar. Selbst an den Handgelenken und den Fingern konnte er eine Erlahmung feststellen.

Schließlich beschloss er, den Abstieg anzugehen. Sein magerer Imbiss hatte nicht ausgereicht, den nun erwachten Hunger zu besänftigen. Er freute sich schon auf einen Kaiserschmarrn der Hüttenwirtin. Mit dem Smartphone machte er rasch noch ein paar Fotos des Panoramas und ein Selbstbildnis unter dem Gipfelkreuz. Da er hier oben erfreulicherweise wieder Empfang hatte, schickte er letztere Aufnahme mit einem Gruß an Frau und Tochter daheim in Frankfurt.

Der Abstieg zur Dammkarhütte dauerte weniger lang als erwartet. Auf markiertem Weg ging es auf der Rückseite des Predigtstuhls durch zerklüftetes Gelände, bis schließlich eine steile Rinne aus Geröll und Schutt erreicht war, die in den oberen Bereich des Dammkars mündete. Das endlose Meer aus Steinen und Schotter lud förmlich ein zu einer rasanten Abfahrt, die bis hinunter zur Hütte reichen würde. Nach ein paar mutigen Testsprüngen in das lockere Geröll, das unter seinen Füßen langsam abwärts rutschte, hatte er den Dreh raus und glitt den Hang hinab.

Eine halbe Stunde später traf er inmitten des Dammkars auf den Querweg, den er am Vormittag zum Einstiegspunkt gegangen war. Diesmal folgte er ihm in die entgegengesetzte Richtung, und nach wenigen Minuten schon befand er sich auf dem Vorplatz der Hütte und setzte sich auf eine der Bänke. Es war kurz nach zwei, als ein Teller Kaiserschmarrn und ein großes Glas Radler vor ihm auf dem Tisch standen. Genüsslich verzehrte Franke die dringend benötigte Stärkung und ließ dabei seinen Blick über die Landschaft wandern.

Da der vor ihm liegende Nachmittag eh nicht mehr richtig zu nutzen war, kam ihm mit einem Mal die Idee, gemütlich hinunter zum Fuß des Berges zu wandern. Das war einerseits sicher ein netter Verdauungsspaziergang, andererseits musste er sich eingestehen, dass er einfach auch neugierig war und die Stelle am Fuß der Kreuzwand, wo er die beiden Männer gesehen hatte, einmal näher in Augenschein nehmen wollte.

Nach dem Essen ging Franke daher hinauf ins Matratzenlager und verstaute erst einmal seine Ausrüstung. Dann machte er sich auf den Weg. Nach einer halben Stunde erreichte er die Stelle, wo der Dammkarweg auf den Ochsenbodensteig traf. Als er auf den schmalen Trittpfad einbog, der quer durch das Geröllfeld unterhalb der Kreuzwand führte, sah er sogleich die beiden Männer. Es bot sich der für Franke schon fast gewohnte Anblick: Mit ernsten, suchenden Gesichtern standen sie unterhalb des Bergfußes und musterten die Wand über ihren Köpfen.

„Verdammt! Du hast eben gesagt, ich wäre genau unter dem linken Auge. Ist das jetzt richtig oder nicht?“, hörte er mit einem Mal die vorwurfsvolle Stimme von einem der beiden.

Als Franke näher kam, stellte er fest, dass es eindeutig die Männer aus Dresden waren, die er auch am Vortag gesehen hatte. Zögernd blieb er stehen und sah zu ihnen hinüber.

Nach einer Weile bemerkten die beiden Männer, dass sie beobachtet wurden, und hielten inne.

 

Über den Autor*Innen

Jörg Bornmann

Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.