Durch die Dolomiten an einem Tag

Durch die Dolomiten an einem Tag, ein ungewöhnliche Skitag - (c) Georg Weindl

Geht das wirklich? Das könnte knapp werden. Wie kommst du denn darauf? Das waren so die typischen Kommentare selbst bei Einheimischen. Ungewöhnlich war die Idee ja schon. Eine Durchquerung der Dolomiten ganz ohne Auto nur mit Skiern an einem einzigen Tag. Fünf Skigebiete von der Drei Zinnen Region ganz im Osten an der Grenze zu Osttirol über den Kronplatz, Alta Badia und Gröden bis zur Seiser Alm oberhalb des Eisacktals. Außer der Bahnfahrt mit dem Pustertal Ski Expreß von Vierschach bis nach Percha am Kronplatz und einem Skibus-Transfer im Gadertal erfolgt die Reise komplett mit Skiern. Dafür braucht es nur ein Tagesticket von Dolomiti Superski. Für die Rückfahrt gibt es am späten Nachmittag den Bus von Seis hinunter ins Eisacktal und die Bahnfahrt über Bruneck nach Vierschach.

In den letzten Jahren wurde gerade in dieser Gegend viel für Bahnfahrer getan. Beim Start in Vierschach steht der neue Bahnhof direkt neben der ebenfalls neuen Talstation. Auf der Ostseite des Kronplatz entstand eine Bahnstation, wo auch die Seilbahn startet. Und der Pustertal Ski Express fährt alle 30 Minuten durch das für intensiven Autoverkehr bekannte Tal.

Dieser ungewöhnliche Skitag beginnt ziemlich unromantisch an einem grauen Montagmorgen im Januar. Vierschach ist ein kleines Dorf wenige Kilometer von der österreichischen Grenze. Es gibt eine neue Talstation auf der Nordseite des Skigebiets unter dem Gipfel des Helm mit Bars, Restaurant, Sportgeschäft, Skidepot und einer Brücke über die Hauptstraße direkt zum Bahnhof. Es ist kurz von halb acht und außer einigen Pistenraupen ist in der Morgendämmerung im Skigebiet noch nicht viel zu sehen.

Bequem von einer Piste zur anderen, verspricht der Ski Pustertal Express, der 40 Minuten später in Percha am Kronplatz stoppt. Der Bahnhof liegt versteckt in einer Grube neben der Pustertaler Straße. Die Nordseite des Kronplatz steht kurz vor halb neun immer noch im Schatten. Die Temperaturen sind zweistellig im Minus, und die Sitzheizung ist anfangs nicht wirklich spürbar. Der Kronplatz ist ein 2275 Meter hoher kahler Buckel, auf dessen Plateau sich eine umfangreiche touristische Infrastruktur angesammelt hat. Viel schöner ist aber, dass oben die Sonne wärmt, dass der Blick hinein die Dolomiten postkartentauglich ist. Wir lassen den modernen Funktionsbau des MMM Corones, das Museum der Südtiroler Bergsteigerlegende Reinhold Messner, links liegen. Die erste Abfahrt zum Furkelpass ist ideal zum Einfahren. Es ist kaum Verkehr auf der Piste, und wir ziehen weite Schwünge auf dem frisch präparierten Schnee Richtung St. Vigil.

St.Vigil ist wegen seiner sanften Pisten die familiäre Seite des Kronplatzes, hat aber gegenüber auf dem Piz de Plades einige steile Abfahrten, auf denen heute Rennläufer trainieren. Oben auf dem Weg Richtung Gadertal haben sich einige Lokalitäten etabliert, die teilweise schwer auszusprechende ladinische Namen haben und wo junge Frauen die Terrassen für das Mittagsgeschäft vorbereiten. Unser nächstes Zwischenziel ist St. Martin in Thurn im Gadertal. Davon trennt uns nur die Piculinabfahrt, die zwar kurz ist, aber steil und markant zur linken Seite hängt. Bald landen wir vor der mit dunklem Holz verkleideten Talstation. Der Skibus fährt halbstündlich ins nächste Skigebiet Alta Badia, braucht für die Tour bis kurz vor La Villa exakt 20 Minuten. Es ist. kurz vor zehn Uhr und wir sind vor dem Piz La Ila und der Gran Risa Piste, wo sich alljährlich vor Weihnachten die weltbesten Skifahrer beim Riesenslalom messen. Bei der Bergstation stehen wir wieder im Sonnenlicht, gönnen uns eine kurze Pause. Wir liegen gut in der Zeit. Linker Hand der Bergstation steht der Club Moritzino, eine rustikale Kombination aus Self Service Restaurant und Nobelclub mit einem auf Fischgerichte spezialisierten Gourmetlokal. Entstanden ist das, erzählt der Chef Moritzino, als ein bekannter deutscher Unternehmer und legendärer Playboy zusammen mit einem italienischen Kollegen aus der Modebranche spontan Fisch tafeln wollte und dafür einen Helikopter Richtung Chioggia bei Venedig schickte. Wir belassen es bei einem Espresso mit einer Torta della Nonna, einer Torte nach Großmutters Art. Auf sanften Sonnenhängen geht es hinunter nach Corvara. Direkt hinter der Seilbahn zum Piz Boe steigen wir in die Kabine Richtung Grödner Joch. Zwei Kabinenbahn und zwei Sessellifte später stehen wir oben am Grödner Joch, schauen wie alle anderen hinüber zum Langkofel, der wie eine riesige Statue in der Landschaft steht. Handykameras klicken rechts und links von uns. Auf der Dantercepiesabfahrt Richtung Wolkenstein kommen wir ins Grödner Tal und zur Talstation der Ciampinoi-Seilbahn.

Oben steigen wir rechts aus und erreichen die berühmte Saslong. Weltcupabfahrt hinunter nach St. Christina, die wir heute inklusive der Kamelbuckeln und der Ciaslat-Wiesen fast für uns alleine haben. Unten beim Zielschuss steigen wir in die unterirdische Bahn, die uns auf die andere Talseite bringt, wo wir in die Col Reiser Seilbahn einsteigen. Wir fahren nun auf der Nordseite des Grödner Tals bergauf über Südhänge, die deutlich weniger Schnee haben. Die mehr als zehn Kilometer lange Abfahrt hinunter nach St. Ulrich zählt mit ihren weiten Hängen im oberen Bereich, den kurvigen Passagen weiter unten im Wald zu den schönsten Pisten in Gröden. Das Ziel ist die Talstation der Seceda-Seilbahn am Ortsrand von St. Ulrich. Nun folgt ein Spaziergang durch die Fußgängerzone vorbei an der Kirche, Nobelhotels, Holzschnitzerwerkstätten und teuren Boutiquen. Über eine Brücke kommen wir zur Talstation der Seilbahn hinauf zur Seiser Alm. Oben auf 2000 Meter Höhe sind wir wieder in der Sonne und in einem ganz anderen Skigebiet. Die Seiser Alm ist offiziell die größte Hochalm Europas mit ihren 56 Quadratkilometern und mit der sanft geschwungenen Wiesenlandschaft ein eher gemütliches Terrain. Zwischendurch kreuzt ein Pferdeschlitten die Piste, säumen Rodler und Winterwanderer die Abfahrt. Auch die Skilehrer in ihren knallroten Anzügen machen einen gelassenen Eindruck. Nach dem Sanonlift und dem Steger-Dellai-Lift schwingen wir bergab auf breiten kurzen Abfahrten, beobachten unterwegs alte Heustadel und Langläufer bei der Arbeit. 20 Minuten vor drei Uhr sind wir in Kompatsch am Ziel zu Füßen des mächtigen Felsmassivs des Schlern. Wir haben inklusive zweier Kaffeepausen sechs Stunden gebraucht und mit einem Skipass fünf sehr unterschiedliche Skigebiete durchquert. Nun steigen wir in die Seilbahn hinunter nach Seis und lassen uns bei der Talstation eine stattliche Pizza auftischen.

Start: Vierschach am Helm im Skigebiet Drei Zinnen
Ziel: Kompatsch auf der Seiser Alm
Rückfahrt: Mit Übernachtung auf Skiern am nächsten Tag oder mit dem Bus von Seis nach Waidbruck und weiter it der Bahn via Franzensfeste nach Vierschach
Tagespass Dolomiti Superski: an 75 Euro. Wer 2 Tage vorher kauft, erhält 5 Prozent Nachlass.
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Über den Autor*Innen

Georg Weindl

Georg Weindl

Es hat schon sein Gutes, wenn man mitten in seinem Arbeitsgebiet lebt. Georg Weindl wohnt in Oberbayern und Österreich, schreibt Reisereportagen und Bücher, die sich überwiegend in den Alpen, Süddeutschland und in Italien abspielen und in zahlreichen deutschen und österreichischen Tageszeitungen und Magazinen veröffentlicht wurden und werden. Das tut er seit mehr als 30 Jahren.