Im 15. Jahrhundert legten die Inka in ihrem damaligen Reich das damals fortschrittlichste Straßensystem Südamerikas an. Mit Haupt-, Nebenwegen und unzähligen Verbindungsstraßen umfasste das Straßennetz mehr als 30.000 km und bis heute stößt man bei einer Reise durch Südamerika auf Schritt und Tritt auf alte Bauwerke, alte Inka-Straßen und andere Spuren der alten Hochkultur.
Einige Wege werden heute touristisch als Weitwanderwege genutzt. Der berühmteste Weg ist der klassische “Camino Inka”, der 45 km durch das Urubamba-Tal als einziger Weg direkt in die Inka-Stadt Machu Picchu führt. In vier Tagen können abenteuerlustige Reisende durch den Dschungel und über hohe Bergpässe zu der sagenumwobenen Inka-Stätte wandern. Um die Natur und die historischen Stätten zu schützen darf der Weg nur im Rahmen einer geführten Tour mit örtlichen Guides und Trägern begangen werden. Zudem ist die Zahl der Wanderer auf 500 Personen pro Tag begrenzt, die sich unterwegs zum Glück gut verteilen. Das Trekking führt über drei Gebirgspässe und vorbei an mehreren Inka-Stätten, die nur zu Fuß auf diesem Weg erreichbar sind. Das Panorama ist beeindruckend und abwechslungsreich: schneebedeckte Berge in der Ferne und tropische Vegetation am Wegesrand lassen die Wanderung nie langweilig werden.
Von der Organisation der Wanderung durch lokale Agenturen profitiert die lokale Bevölkerung genauso wie die Wanderer. Die heutigen Nachfahren der Inka, die in den Bergen in winzigen Dörfern leben, haben bis zur touristischen Erschließung der Wege nur vom Ackerbau und ein wenig Vieh gelebt. Mit den Touristen haben sie eine neue Einkommensquelle gewonnen: Einheimische Männer begleiten die Gruppen als Träger, Guide oder Koch und die Frauen verkaufen ihr Kunsthandwerk an die Touristen. Die Wanderer bekommen ein Rundum-Sorglos-Paket: Ein oder zwei Guides weisen den Weg, Träger transportieren Dinge des persönlichen Bedarfs, Zelte, Kochausrüstung und Verpflegung und ein Küchenteam sorgt drei mal am Tag für leckeres Essen.
Auf dem Weg nach Machu Picchu
Die Wanderung auf dem Inka-Trail beginnt kurz hinter Ollantaytambo am Kilometer 82 der Bahnlinie von Cuzco nach Machu Picchu. Beim Passieren des Startpunkts der Wanderung werden die Rucksäcke der Träger gewogen. Es wird streng kontrolliert, dass jeder Träger “nur” 20 kg auf seinem Rücken hat. So soll der Ausbeutung der lokalen Bevölkerung zuvorgekommen werden.
Am ersten Tag geht es zunächst relativ eben durch das malerische Urubamba-Tal. Die Vegetation ist tropisch und wir passieren die ersten Inka-Stätten. Der Weg führt sanft bergauf und bergab über große Inka-Steine und ist ideal zum Eingehen. Die Guides erzählen viel über die lokale Flora und die Geschichte der Inka.
Mittags bekommen wir einen ersten Eindruck, was Rundum-Sorglos bedeutet: Die Träger und das Küchenteam sind trotz des schweren Gepäcks auf ihren Rücken deutlich schneller unterwegs als wir und plötzlich stehen wir auf einer Lichtung vor einem großen Zelt, aus dem unser Koch winkt. Unsere fleißigen Helfer haben schon gekocht und im Schatten eines Baumes einen langen Tisch aufgebaut, an dem wir Platz nehmen dürfen.
Nach dem Essen geht es gut gestärkt weiter. Das Küchenteam und die Träger bauen alles ab und überholen uns nach ungefähr einer Stunde wieder flotten Schrittes. Als wir am späten Nachmittag das Camp für diese Nacht erreichen, ist schon wieder alles erledigt: Unsere Zelte sind bereits aufgebaut und aus dem Küchenzelt riecht es schon wieder verführerisch. Beeindruckend was die Jungs, die wir beim Tee endlich kennenlernen, hier meistern. Die meisten Träger sprechen nur Quechua, Aymara oder eine andere indigene Sprache, aber mit ein paar Brocken Spanisch und Händen und Füßen schaffen wir es, uns ein bisschen zu verständigen. Mit einfachsten Mitteln wird dann das Abendessen gezaubert und wir fallen anschließend müde und zufrieden auf unsere Isomatten.
Am nächsten Morgen werden wir früh geweckt. Einer der Träger steht vor unserem Zelt und reicht uns eine Schüssel warmes Wasser für die Morgen-Toilette und zwei Becher Koka-Tee zum wach werden. In Deutschland gelten die Blätter der Koka-Pflanze als illegales Suchtmittel, in Peru sind sie allgegenwärtig als Tee, Bonbons oder sogar pur zum Kauen. Da Koka auch gegen die Höhenkrankheit helfen soll, greifen wir unterwegs sowohl beim Tee als auch bei den Bonbons, mit denen wir uns vor der Tour eingedeckt haben, kräftig zu.
Nach dem Frühstück mit mehr Tee, Eierkuchen und Brot, packen wir unsere Tagesrucksäcke und marschieren wieder los. Der heutige Tag wird anstrengender: Uns erwartet am Pass Abra Warmiwañusqa mit 4.215 m der höchste Punkt der Tour. Die Guides achten penibel darauf, dass wir in der dünner werdenden Luft schön langsam gehen und uns unsere Puste einteilen. Am Pass dann großer Jubel: alle haben es geschafft und wir können stolz das Panorama zwischen den Wolken genießen. Nach der Mittagspause wartet gleich die nächste Herausforderung: Der Pass Abra de Runkurakay ist zwar mit 3.950 m Höhe etwas niedriger als der Erste, aber die Stufen sind so hoch, dass jeder Schritt mühsam ist. Nach insgesamt 1.250 Höhenmetern und rund sechs Stunden Gehzeit sind wir alle glücklich, nachmittags das Camp zu erreichen.
Nach einer regnerischen Nacht nieselt es am Morgen leider immer noch und wir marschieren nach dem Frühstück in Regenjacken los. Auch das feuchte Wetter hat in der tropischen Landschaft seinen Reiz. Nebelschwaden wabern aus dem Wald und die nassen Blätter und Moose glänzen mystisch in tiefem Grün. Den dritten Pass passieren wir im Regen. Gegen Mittag reißt der Himmel endlich wieder auf und nach dem Essen geht es trockenen Fußes weiter. In der Inka-Stätte Winayhuaina streifen wir nachmittags durch die alten Mauern und Gebäude. Wir sind ganz allein hier und genießen die Atmosphäre der terrassenförmig angelegten alten Stätte inmitten der unzugänglichen Berge. Im Camp sind wir ein wenig traurig, dass dies nun schon der letzte Abend und morgen das Ziel erreicht ist. Nach dem Essen müssen wir uns von den Trägern und dem Küchenteam verabschieden, die Morgen mit dem Gepäck den Weg ins Tal antreten, während wir in aller Früh die letzte Etappe nach Machu Picchu in Angriff nehmen werden.
Nach einem spärlichen Frühstück marschieren wir am nächsten Morgen schon um 04:00 Uhr in der Dunkelheit los, um noch vor Öffnung des Gates am Checkpoint zu sein. Hier ist die Einsamkeit der letzten Tage Vergangenheit. Die Gruppen, die sich auf dem Weg gut verteilt hatten, sammeln sich nun alle hier. Wir sind eine der ersten Gruppen und passieren um 05.30 Uhr das Tor. Dann geht es flotten Schrittes Richtung Sonnentor, von dem man den ersten Blick auf das sagenumwobene Machu Picchu werfen kann. Mit etwas Glück bestaunt man hier den Sonnenaufgang, aber ausgerechnet heute liegt eine dichte Wolkendecke über der Inka-Stadt. Als die Guides gerade zum Aufbruch rufen, kommt Bewegung in die Wolkendecke. Wir überreden sie, noch ein paar Minuten zu warten und schließlich wird unsere Ausdauer belohnt: Die Wolken brechen auf und geben den Blick auf die Ruinen tief unter uns frei. Die Kameras klicken, wir schauen und staunen und schon schließt sich die Wolkendecke wieder - eine großartige Vorstellung der Natur.
Glücklich den berühmten Blick vom Sonnentor doch noch bekommen zu haben, machen wir uns an den Abstieg nach Machu Picchu. Schon auf halber Strecke kommen uns die ersten Touristen entgegen, die per Zug und Minibus in die Inka-Stadt gekommen sind und trotzdem den Blick vom Sonnentor genießen möchten. Nach drei Tagen in der Natur ist es ein komisches Gefühl plötzlich zurück in der Zivilisation zu sein und zwischen “normalen” Touristen herumzulaufen. Am liebsten möchten wir uns gleich wieder umdrehen und dem Trubel entfliehen.
Trotz des großen Andrangs ist Machu Picchu einfach beeindruckend. Vor der Kulisse des Huayna Picchu liegen die jahrhundertealten Ruinen und es ist kaum vorstellbar, wie die Inka diese Stätten ohne technisches Gerät oder andere Hilfsmittel bauen konnten. Die Stadt ist ebenfalls terrassenförmig angeordnet und liegt inmitten der Berge in einem unzugänglichen Gebiet. Deswegen hat es auch bis 1911 gedauert, bis Machu Picchu wiederentdeckt wurde. Uns bleiben ein paar Stunden, um ausführlich durch die Ruinen zu streifen und die Eindrücke in uns aufzunehmen. Dann fahren wir mit dem Minibus hinab nach Aguas Calientes und von dort mit dem Zug zurück nach Ollantaytambo, wo unser Gepäck auf uns wartet.
Allgemeine Informationen
Die Wanderung auf dem Inka-Trail ist trotz der Unterstützung durch ein großes Team aus Trägern und Guides nicht zu unterschätzen. 45 km in vier Tagen klingt nicht viel, aber die ungewohnte Höhe kann selbst erfahrenen Wanderern zum Verhängnis werden. Wenn man sich an die Anweisungen der erfahrenen Guides hält und langsam unterwegs ist, ist der Track für einen normal trainierten Wanderer aber gut machbar. Das Team kümmert sich um alles unterwegs, aber eine Portion Abenteuerlust und die Bereitschaft zum Verzicht auf ein bisschen Komfort ist nötig. Übernachtet wird in einfachen Zwei-Personen-Zelten auf Isomatten in warmen Schlafsäcken, die sanitären Anlagen lassen zu wünschen übrig. Wasser zum Waschen bekommt man von den Trägern morgens und abends in einer Schüssel und Duschen sucht man unterwegs vergebens. Die Einschränkungen werden aber von dem unglaublichen Naturerlebnis inmitten der Bergwelt der Anden mehr als wettgemacht.
Verschiedene auf Südamerika spezialisierte Reiseveranstalter bieten Touren auf dem Inka Trail an. Aufgrund der sehr limitierten Anzahl an Genehmigungen pro Tag sollte der Track mindestens 6-9 Monate im Voraus gebucht werden.
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Über den Autor*Innen
Christine Kroll
Mit einer Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau und anschließendem Studium der Tourismuswirtschaft hat Christine nach dem Abitur ihr Hobby Reisen zum Beruf gemacht. Seit über 20 Jahren arbeitet sie als Produktmanagerin bei verschiedenen Reiseveranstaltern. In ihrer Freizeit ist Christine am liebsten draußen. Je nach Saison findet man sie zu Fuß, mit dem Mountainbike oder auf (Touren-)Ski in den Bergen. Egal ob in den heimischen Alpen oder auf einer ihrer Reisen in Europa und der Welt, draußen aktiv zu sein gehört für Christine immer dazu.