Im Zeichen der Kastanie - Wandern und Törggelen von Gaby Dräger

Wandern und Schlemmen zur Törggelezeit im Eisacktal

Wandern und Törggelen, dafür ist Südtirol bekannt. Was ist eigentlich Törggelen? Der Ausdruck kommt von „Torggl“, der Weinpresse. Bereits im Jahre 1843 begann man in Südtirol den neuen Wein zu verkosten. Damit einem der Alkohol nicht so schnell zu Kopf steigt, wurden damals wie heute deftige Schlachtplatten und geröstete Kastanien dazu gereicht. Und wo kann man Törggelen? Am Besten im Glanger Hof bei Schnauders im Eisacktal. Die Stuben in dem 400 Jahre alten Bauernhof sind voll besetzt. Einheimische und Gäste sitzen an langen Tischen eng beieinander. Als erster Gang wird eine Marende, eine Brettljause, mit Speck, Käse, Kaminwurz und Hirschsalami serviert. Als Zwischengang folgt eine Gerstensuppe, Nussbrot, Vinschgerl und Schüttelbrot werden dazu gereicht. Georg Oberhofer, der Vater und Martin, sein Sohn greifen zur Ziach’orgel und spielen auf. Viele Gäste schwingen ihr Tanzbein, die Stimmung ist lustig und ausgelassen. Dann folgt die Schlachtplatte mit Hauswurst, Geselchte’s und Sauerkraut. Auch die süßen Krapfen mit Zwetschgenmus müssen unbedingt getestet werden, sie schmecken einfach göttlich. Den krönenden Abschluss machen die gerösteten Kastanien, die von den Einheimischen „Keschtn“ genannt werden und natürlich einen Obstler.

Am Hausberg von Schnauders kann man Kalorien ganz gut abtrainieren. Auf zur Königsangerspitze, der Tag ist perfekt zum Wandern. Gute drei Stunden dauert der Aufstieg auf dem steil ansteigenden Weg im Wald bis zur Radlseehütte, nein, das ist kein Spaziergang. Christian Gschnitzer, der Hüttenwirt, ist mit Leib und Seele Koch. Er bietet Hüttennudeln, Speck- und Leberknödel, Kürbissuppe oder Marillen-Topfenstrudel an. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Topfenschmarrn probieren Wanderer aus der Schweiz und sind begeistert. Die Küche ist hier wirklich vom Feinsten. Gestärkt geht es in einer halben Stunde bis zum Gipfel der Königsangerspitze, der oberhalb des Radlsees liegt. Der See ist ein Vulkankrater mit einem unterirdischen Zufluss. Die Einheimischen erzählen, dass ein im Durnholzer See versunkenes Pflugrad im Radlsee wieder aufgetaucht sein soll, daher stammt auch der Name des Sees. Der 360 Grad Ausblick vom Gipfelkreuz in 2436 Metern Höhe bis hin zu den Stubaiern, Zillertalern, Großglockner und zum Ortler ist phänomenal. Steinmännchen und rot markierte Steine weisen den Weg über dicke Wiesenmatten abwärts bis zum Parkplatz am Garner Wetterkreuz, von da ist es nur noch ein Katzensprung bis nach Schnauders. Nach etwa Tausend Höhenmetern im Auf- und Abstieg ist abends Beine ausstrecken im Jörgenhof angesagt. Auch hier werden hungrige Wanderer verwöhnt. Es gibt Schlutzkrapfen, Spinatknödel und Kasnocken, da läuft einem das Wasser im Mund zusammen und wieder mundet die Südtiroler Kost vorzüglich.

Als Unterkunft sucht man sich am Besten einen Bauernhof. Der Oberhauserhof liegt an einem steilen Hang oberhalb von Schnauders. In den mit Holz verkleideten Appartements fühlt man sich gleich wohl, der Blick auf die spitzen Zacken der Geislergruppe und den erhabenen Schlern auf der gegenüberliegenden Talseite ist gigantisch. Morgens wird man von den drei kleinen Lausbuben der Bäuerin begrüßt. Jimmy, der gutmütige Hund kommt schwanzwedelnd angelaufen und die Kühe schauen neugierig aus dem Stall. Zum Frühstück hat Anita, die junge Bäuerin, den Tisch reich mit den Produkten des Hofs gedeckt. Natürlich gibt es ein weichgekochtes Ei von den eigenen Hühnern, selbst gemachte Marillenmarmelade, Speck, Bergkäse und Joghurt von der Molkerei im Tal. Vollkornbrot und Semmeln kommen frisch vom Bäcker. Hier wird man richtig verwöhnt, das sind ideale Bedingungen um Ruhe zu genießen, zu entspannen und das Südtiroler Leben kennen zu lernen.

Der Strasserhof bei Neustift nördlich von Brixen mit Buschenschenke liegt idyllisch in den Weingärten. Die Stube im 1000 Jahre alten Hof ist traditionell. „Seit 300 Jahren ist der Hof im Familienbesitz“, erklärt Johann Baumgartner stolz. Von September bis Dezember ist der Buschenschank geöffnet. Trauben wie Müller-Thurgau, Kerner, Sylvaner, Gewürztraminer und Zweigelt werden hier angebaut, gekeltert und verkauft. Eine kleine Rundwanderung auf dem Apfelhochplateau über Natz mit seinem Biotop ist beschaulich. Das Zwölfuhrläuten begleitet die Wanderer auf dem Weg durch den Wald nach Elvas. Nach gut zwei Stunden ist der Strasserhof dann wieder erreicht. Schlutzkrapfen mit einem guten Tropfen aus eigenem Anbau munden vorzüglich an der warmen Hauswand sitzend auf der Terrasse.   

Ganz gemütlich ist die nächste Wanderung auf dem Keschtnweg Richtung Klausen, denn der Weg führt nur bergab bis zum Kloster Säben, einem der ältesten Wallfahrtsorte Südtirols. Der Klosterhof, die Klosterkirche und die Heilig-Kreuz-Kirche mit eindrucksvollen Wandmalereien können besichtigt werden. Das Kloster dagegen nicht, denn hier leben Benediktinerinnen in Klausur. Der Abstieg führt durch den Kreuzweg und endet direkt in der mittelalterliche Altstadt Klausens, die eingequetscht zwischen dem Eisack und dem Säbener Fels liegt. Der Stadtbummel führt einen in den Stadtteil Frag zum Kapuzinerkloster. Christian Pontifeser aus Frag kam im Laufe seines Lebens als Kapuziner Pater Gabriel nach Heidelberg. Er war Beichtvater von Maria Anna, der Tochter des Kurfürsten von der Pfalz. Als Karl II, König von Spanien, Maria Anna heiratete, folgte Pater Gabriel ihr als Beichtvater nach Madrid. Als Dank für seine Dienste ließ Maria Anna das Kapuzinerkloster und die Loretokirche in seiner Heimatstadt Klausen bauen. Im Stadtmuseum kann man die vielen wertvollen Kunstgegenstände, den Loretoschatz, bewundern, die Pater Gabriel in Spanien als Geschenk für seine Dienste erhielt. Der Linienbus bringt die Wanderer wieder den Berg hinauf nach Schnauders zurück.

Dann steht wieder der Keschtnweg auf dem Programm, diesmal Richtung Pinzagen. Nach einer viertel Stunde Wanderzeit kann man im Thaler Hof Schnitzereien bewundern und ein bisschen Südtiroler Brauchtum schnuppern. Herbert Kerschbaumer schnitzt Krippenfiguren. „Ich mach die Farbe“, sagt Theresia, seine Frau. Der nächste Punkt ist das kleine Renaissance Schlösschen aus dem 16. Jahrhundert in Feldthurns. Hier zogen sich einst die Fürstbischöfe von Brixen in die Sommerfrische zurück. Weiter geht’s. Zuerst führt der Weg noch an Apfelplantagen entlang, bis sie von Kastanienbäumen verdrängt werden. Ihre gelben verfärbten Blätter leuchten in der Sonne. Allein in Feldthurns soll es 3336 Kastanienbäume geben. Direkt am Weg liegt der Wöhrmannshof. In den beiden holzgetäfelten Stuben mit Kachelofen sollte man einkehren, allein schon wegen der Feldthurner Krapfen, die traditionell auf einem Herd in der Pfanne gebacken werden und eine Sünde wert sind. Der weitere Weg beginnt mit ein paar Stufen, die im Wald aufwärtsführen. Dann stapft man auf einem dick mit Kiefernnadeln bedeckten Weg in das kleine Dörfchen Tötschling und von da an geht es ganz gemütlich bergab nach Pinzagen. Nach einem kurzen Espressostopp im Hotel Alpenrose, der die Sinne belebt, ist es nicht mehr weit bis zum Villscheiderhof. Der Hof ist etwas Besonderes, denn er war Schankbetrieb des Jahres 2008 des „Roten Hahns – Urlaub auf dem Bauernhof“. Florian Hilbold empfiehlt: „Suser“, das ist Wein, der gerade begonnen hat zu gären. „Kastanien und Schlachten das gehört zusammen“, sagt er und serviert Geselcht’s, Hauswurst und anschließend Krapfen mit Kastanienfüllung, die Qualität ist einfach zum Niederknien. Einheimische kommen gerne hierher, denn sie wissen, wo die Küche gut ist. Direkt vom Bauern schmeckt’s einfach am Besten.

Wandern und Törggelen in der einzigartigen Landschaft Südtirols sind ein Genuss, eine bessere Kombination gibt es kaum.

Über den Autor*Innen

Gabi Dräger

Wo findet man Gabriele Dräger in den Bergen? Natürlich in einer Alm bei einer Brotzeit., denn Almen mit guter Küche ziehen sie magisch an. Gipfel nimmt sie auch hin und wieder mit. So hat sie einige 5.000er beim Trekking in Süd Amerika und Nepal, bestiegen. Ihre Hochleistung war der Kilimandscharo mit 5.895 Meter. Kultur und Brauchtum faszinieren sie genauso, wie Städte und Kunstausstellungen. Obwohl sie gerne in urigen Berghütten übernachtet ist sie dem Luxus von guten Hotels nicht abgeneigt.