Wandern von Alm zu Alm, von Brotzeit zu Brotzeit
Musik ertönt zum Empfang in Großarl, das ist gleich die richtige Einstimmung für ein paar Wandertage in den Bergen. In allen Cafés und Gaststätten im Zentrum wird fröhlich echte Volksmusik gespielt.
Etwas versteckt im Salzburger Land, etwa 70 km südlich der Mozartstadt Salzburg entfernt, liegt Großarl. Schon die Anreise ist spannend. Durch ein dunkles, enges Tal schraubt sich das Auto auf unzähligen Kurven in die Höhe.
Oben in Großarl angekommen formen Wiesen und Wälder an steilen Berghängen genau im Herzen der Hohen Tauern die Landschaft. Kurz nach Hüttschlag – der zweiten Gemeinde im Tal – endet die Straße, deshalb ist das Tal wohl die schönste Sackgasse im Salzburger Land. Natur und Ruhe ist das Thema hier oben. (Zur Bildgalerie)
Musikanten-Roas
Musiker aus der Region spielen für einen Tag zur „Musikanten-Roas“ traditionelle Volksmusik bis sieben Uhr abends. Das Besondere an der Musikanten-Roas steckt schon im Namen selbst – nämlich „roas´n“ heißt gehen oder weiterziehen. Die teilnehmenden Musikgruppen ziehen jede Stunde weiter zum nächsten Wirt. So kann man entweder als Fan einzelner Gruppen mit ihnen mitziehen und kann so die Schmankerl aller Wirte verkosten. Oder man bleibt bei einem Wirt sitzen und hört alle Stunde eine andere Musik. Dazu werden an vielen auf der Straße aufgebauten Ständen Spezialitäten und Getränke angeboten. An einem Stand brutzeln Fleischkrapfen in der Pfanne, die besonders beliebt sind, da sie nur selten auf der Speisekarte stehen. Roggenteig wird mit kleingehacktem Gselchten und Braten gefüllt und in Fett ausgebacken. Die Musikanten, sind Profis und Musiker mit Leib und Seele und schauen nicht auf die Uhr, wenn um sieben Uhr abends eigentlich Schluss wäre. Lieder wie „Bergkristall“ oder „Almsommer“ werden gespielt und alle singen lauthals mit. Die Musikanten haben so viel Spaß und sind mit soviel Leidenschaft dabei zu musizieren, dass noch bis zehn Uhr abends weitergespielt wird. Ja, das ist gelebte Volkskultur.
Wanderung zum Schober
Die lustige Guggi, die Wanderführerin, leitet die Tagestour. Der Kleinbus fährt die Wanderer an steilen Bergwiesen vorbei, auf denen noch mit der Sense gemäht wird, weil jeder Traktor umkippen würde. Wanderstart ist am Himmelsknoten, einem schön geschnitzten Baumstamm. Schon nach ein paar Schritten auf dem Forstweg, der stetig bergauf führt, steht am Wegesrand der sehr seltene Türkenbund. Ein buntes Gemisch aus Enzian, Eisenhut, Knabenkraut, Alpenrosen und Kohlröschen, das stark nach Vanille riecht, drängelt sich in den Wiesen. Der giftige Germer, leicht zu verwechseln mit dem Gelben Enzian, steht in Gruppen in einer Wiese, hat eher unscheinbare Blüten. Der Forstweg führt zur Niggeltalalm oder auch Iglalm genannt auf 1507 Meter Höhe. Nach einer kurzen Trinkpause geht es auf einem Steig steil aufwärts. Hier ist Kondition gefordert. Je höher man kommt, um so weniger Bäume gibt es. Auf einem Geröllfeld ist gerade ein Rudel Gämsen mit Jungtieren unterwegs und hektische Rufe eines Murmeltiers warnen vor den Wanderern. Eine Felsformation ragt auf und sieht aus wie ein Finger, sie wird von den Einheimischen auch so genannt. Dann geht es in Serpentinen in einer baumlosen Wiese stetig aufwärts bis
zum großen Gipfelkreuz des Schobers auf 1997 Meter Höhe. Es ist immer wieder ein Wunder, wie schnell sich die Landschaft verändert, von den dunkelgrünen Wäldern hin zu den offenen Almflächen und hinauf zu der spröden felsigen Gipfelwelt. Der Hunger legt den Schnellgang ein und man ist ruckzuck wieder auf der Terrasse der Niggeltalalm. Zwei junge Musikanten spielen auf der Ziehharmonika zünftig auf. Monika Hettegger, die Almwirtin, begrüßt die Wanderer. Das Speckbrot und den Graukas, beides selbstgemacht, sollte man unbedingt probieren. Für Kinder ist es hier ganz sicher nicht langweilig. Es gibt ein Wasserrad, ein Trampolin und einen Spielplatz. Kleine Katzen strolchen herum oder lassen sich von den Kindern streicheln und Hasen kann man in einem Laufstall beobachten. Zur Erfrischung können die Kids wunderbar im Bach plantschen oder Staumauern bauen.
Es gibt 70 Stück Vieh oben auf der Alm. Fast jeder Bergbauer besitzt seine eigene Alm. Den Almabtrieb macht jeder für sich allein zu unterschiedlichen Zeiten. Wenn es im Jahr „Unreim“ gab, Unglück, dass heißt, wenn zum Beispiel einer Kuh oder einem Mitglied in der Bauernfamilie etwas zugestoßen ist, dann wird nicht „aufgekranzt“ beim Almabtrieb. Die Kühe werden dann nur einfach in ihr Winterquartier getrieben, ohne Schmuck und Glockengeläut. Der Rückweg zum Bus ist für die Wanderer dann nur noch ein Klacks. Vier Stunden reine Gehzeit hat die Wanderung gedauert.
Wie alles begann
Im 14. Jahrhundert gab es neben Bauern in Großarl eine Postpferdestelle und auch einen Frächter. Der Frächter hatte die Aufgabe das Holz aus dem Tal zu transportieren und Mehl- und Zuckersäcke und andere Lebensmittel nach Großarl bringen. Bis 1927 ist hier noch die Postkutsche gefahren. Ab 1960 kamen Gäste zumeist aus Wien zur Sommerfische. Als die Wanderer das Großarltal als Reiseziel entdeckten, ging es aufwärts und bescheidener Wohlstand zog ein.
Almenwanderung im Ellmautal
Das ist Guggis Lieblingswanderung. Am Tourismusverband in Großarl hält der Wanderbus und fährt nach Grund ins Ellmautal, einem kleinen Seitental mit vier Almen. Im Sommer ist es wunderbar im kühlen Schatten des Waldes den steilen Steig zur Ellmaualm hinauf zu wandern. Einmal kreuzt der Pfad die Fahrstraße und mehrmals einen Materiallift. Nach verlassen eines Waldstücks, denkt man, man hat die Hütte erreicht, aber es ist ein Privathaus, um das der Weg im großen Bogen herumführt. Nach gut eineinhalb Stunden ist dann endlich die Ellmaualm erreicht. Der Rundblick von der Terrasse ist gigantisch, der Draugstein, Schneibenstein, Frauenkogel, Kreuzkogel und Schuhflicker zeigen sich von ihrer besten Seite. Hier möchte man einfach nur schauen, und schauen und alles in sich aufnehmen. Nach einer Verschnaufpause mit einem selbstgemachten Apfelsaft geht es weiter. Das nächste Etappenziel, die Weissalm, ist von hieraus auch schon zu sehen. An der Ellmaualm hat man die Höhe erreicht, dadurch führt der Weg zumeist bergab. In einer halben Stunde ist man schon an der Weissalm, die etwa 300 Jahre ist und sehr urig. „Wie alt die Alm genau ist, weiß man nicht“, sagt Barbara, die Oma
der Familie Hettegger die eine traditionelle Zopffrisur trägt. Der selbstgemachte Kaiserschmarrn aus frischen Landeiern ist goldgelb und mit Puderzucker bestäubt und schmeckt traumhaft gut. Der Hollersaft ist mit Zitronenmelisse und etwas Pfefferminz verfeinert und richtig erfrischend. Das Brot ist keine Frage – natürlich auch selbstgebacken. Als Spezialitäten stehen Buchteln, Kiache und Bauernkrapfen auf der Speisekarte. Ja, die Alm ist eine kulinarische Entdeckung. Sie ist schon seit 104 Jahren im Besitz der Familie Hettegger, die einen Bauernhof unten im Ellmautal hat, der von Margret und Gerald Kappacher bewirtschaftet wird. Die Zutaten für die Gerichte auf der Speisekarte kommen alle aus eigenem Anbau. Der Sohn, Gerald, ist Metzger, das kommt der Fleisch- und Wurstqualität der angebotenen Gerichte zugute. Bündner Fleisch, Speck und Landjäger kann man auch eingeschweißt mit nach Hause nehmen. Sehr zu empfehlen. Der Graukäs wird oben auf der Alm hergestellt und die Schnittkäse im Bauernhof. Der Schnaps ist selbstgebrannt, das ist Ehrensache. Es gibt Enzian-, Vogelbeer- und Birnenschnaps.
In der Alm sieht es aus wie in einem Bauernmuseum. Ein großer alter Kupferkessel, der manchmal noch benutzt wird, Buttermodeln, Pfannen und altes Küchengerät zieren die Wände. Ein Glasschrank ist mit Bergkristallen gefüllt, die hier oben in den Bergen gefunden wurden. Wer einmal ein paar Nächte in der Alm schlafen möchte, der kann das, denn es gibt 30 Schlafplätze. Wo früher der Kuhstall war sind heute die Schlafräume.
Bergbau im Grossarltal
Durch den Abbau von Kupfer- und Schwefel im 15. Jahrhundert im hinteren Großarltal kam etwas Wohlstand ins Tal. In Ledersäcken wurde das Erz zur Verhüttung ins Tal getragen. Als der Bergbau jedoch in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts eingestellt wurde sank der Wohlstand und die Einwohner lebten wieder nur noch von der Landwirtschaft. Die Bergbauern pflanzten damals für den Eigenbedarf Hafer, Gerste, Weizen, Roggen, Hanf und Flachs an. Im Winter wurde der Flachs gesponnen und im Frühling kamen die Weber ins Haus und haben daraus Leinen gewebt.
Es gibt auch einige Klettersteige für Waagemutige: Den „Kupfergeist“, den „Franzl-Steig“ und den Übungsklettersteig „Gletschergoaß“ durch die Hüttschlager Wand sowie den Klettersteig „Bella Cascinaia“ (schöne Sennerin) am Saukarkopf. Im Großarltal kann man aber auf den Nervenkitzel locker verzichten. Es ist viel entspannter zu einer der 40 Almen zu wandern und sich dort von der regionalen Küche verwöhnen lassen. Das ist Erholung pur.
Kontakt:
Österreichs Wanderdörfer e.V., Unterwollaniger Straße 53, A-9500 Villach, Tel.: 0043-4242-2575 31-24, office@wanderdoerfer.at, www.wanderdoerfer.at
Tourismusverband Grossarltal, Markt 1, A-5611 Großarl, Tel.: 0043-6414-281,
info@grossarl.info, www.grossarltal.info