Dr. Heinrich Klier – der Visionär im Stubaital

Dr. Heinrich Klier – der Visionär im Stubaital

Ohne Dr. Heinrich Klier gäbe es die Stubaier Gletscherbahn nicht. Am 6. Oktober 2022 ist er nach einem erfüllten Leben gestorben. Seiner genialen Idee verdanken Wanderer und Wintersportler die Liftanlagen. In seinem abwechslungsreichen Leben war er Lehrer (Dr. phil. 1948), Expeditionsteilnehmer, Bergsteiger, Schriftsteller, Freiheitskämpfer und Unternehmer. Durch seine Eltern hat er die Liebe zu den Bergen entdeckt, die ihn sein ganzes Leben begleitet hat.

Seine Mutter war ein einfaches Bauernmadl, die gerne Lehrerin geworden wäre. Aber mit acht Geschwistern war daran nicht zu denken. Ihr Traum erfüllte sich, als ihr Sohn Heinrich studierte und Mittelschul-Lehrer wurde (in Österreich als „Professor“ tituliert). Als er für eine Südamerika-Expedition seinen Beruf aufgab, war sie sehr traurig.

Die schwierigsten Situationen
„Bua, du brauchst sieben Schutzengel“, hat die Mutter von Heinrich Klier gesagt. Einige hatte er nämlich schon verbraucht: Als 14-jähriger bei einem Sturz in eine Gletscherspalte, 1944 bei einem Lawinenunglück und als 17-jähriger im Partisanenkrieg. 1947 war er an der Hechenberg Südwand in der letzten Seillänge 18 Meter tief gestürzt; und das alte Seil hat wie durch ein Wunder gehalten. Trotz mehrerer Knochenbrüche hatte er sich aus eigener Kraft nach oben zu seinen Kletterfreunden aus der Wand gekämpft. Handys, um die Rettung zu informieren, gab es damals noch nicht.

Die schönsten Erlebnisse
Heinrich Klier hat vier Kinder groß gezogen: Alle sind anständige und gesunde Menschen geworden; das erfüllte ihn mit großer Freude. Reinhard, der Jüngste, ist nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums (Geologie, Glaziologie) in die Wintersport Tirol AG – Stubaier Bergbahnen KG eingetreten. Seine Tochter Claudia ist Fachärztin für Psychiatrie. Walter ist Schriftsteller. Wolfgang hat Informatik studiert und ist bei Google in Amerika als Entwickler tätig.

Da Heinrich Klier weiß, dass das Aufziehen von Kindern nicht nur Geduld, sondern auch Geld kostet, hat er von Anfang an verfügt, dass Kinder bis zum 10. Lebensjahr die Liftanlagen am Stubaier Gletscher kostenlos benützen können.

Die Expeditionen in die Kordilleren in Südamerika (mit mehreren Fünf- und Sechstausendern) waren das eindrucksvollste Erlebnis für den Bergsteiger Heinrich Klier. Auch die Erstbesteigung der Ostwand am Mount Kenia war ein tolles Erlebnis. Und es war für ihn jedes Mal eine Freude, wenn er am Stubaier Gletscher war und gesehen hat, wie alles rund läuft und wie die Besucher Sonne und Schnee genießen.

Der Beginn der Gletscherbahn
Heinrich Klier hat von 1959 bis 1961 am Südtiroler Freiheitskampf teilgenommen. Während in ganz Europa die faschistischen Denkmäler über Nacht verschwunden waren, prangte ausgerechnet in Südtirol hoch über Bozen der große bronzene Reiter mit der Aufschrift „il genio del fascismo“. Der Reiter wurde vom Sockel gesprengt um ein Zeichen für Südtirol zu setzen, das war die erste Aktion von Heinrich Klier. Er wurde beim Mailänder Prozess zu 20 Jahren Kerker verurteilt, konnte sich aber der Haft durch die Flucht nach Deutschland entziehen. Heute hat Südtirol eine eigene Autonomie bekommen; die Brennergrenze ist praktisch von der Bildfläche verschwunden und Südtirol ist die wirtschaftlich erfolgreichste Provinz von ganz Italien geworden. 1989 hat der italienische Präsident Scalforo Heinrich Klier begnadigt. Seitdem konnte Heinrich Klier wieder seine Freunde in Südtirol besuchen.

In Jahre 1961 hat Heinrich Klier im Exil in München wieder bei null begonnen. Tagsüber war er Schriftleiter beim Bergverlag Rother in München. Am Abend hat er noch als Journalist bei verschiedenen Zeitungen gearbeitet. Einmal sollte er einen Artikel über den „Wintersport in Walchsee“ (am Zahmen Kaiser) schreiben. Aber dort gab es nur einen kleinen Schlepplift. Also was wollte er da lang schreiben? „Ja, was sollen wir tun?“ fragten seine Freunde. „Hilf’ uns doch, dann bauen wir einen großen Lift!“ (das war 1964.) Heinrich Klier hatte also seine Ersparnisse zusammengekratzt und mit zehn Personen die Walchsee-Liftgesellschaft gegründet. Durch den Autobahnbau im Inntal war das ein überraschend gutes Geschäft, sodass sie sich entschlossen hatten, weiterzumachen. Schon 1966/68 wurden die Bahnen am Glungezer gebaut.

Nach der Feier zu seinem 43. Geburtstag hatte er um Mitternacht die Idee, den Stubaier Gletscher für den Wintersport zu erschließen. Er holte die Alpenvereinskarte und zeichnete die Lifte ein: Die Lage der Stationen ist bis heute unverändert, die Lifte sind natürlich modernisiert worden. Da er in seiner Studentenzeit mehrere Alpenvereinsführer verfasst hat (u.a. auch den AV-Führer „Stubaier Alpen“), kannte er das Gletschergebiet Hochstubai wie seine Westentasche. Am Anfang hatte keiner an seine Ideen geglaubt. „Was baut der Narr da hinten drin bei der Lawinengefahr?“ Allen Unkenrufen zum Trotz hatte er die Pläne in den Jahren 1971-79 realisiert, eine Fahrstraße bis ans Talende gebaut, Strom und Telefon verlegt und die ersten drei Anlagen errichtet. Im Mai 1973 war es soweit: Die ersten Liftanlagen gingen in Betrieb.

Eine kleine Episode
Am Tag der Inbetriebnahme des Schleppliftes zum Eisjoch, ein strahlender Wintertag, stand Heinrich Klier am Eisgrat und war sehr glücklich. Da kam ein Münchner Skiläufer mit einem abgebrochenen Skistock zu ihm und fragte: „Wo ist das Sportgeschäft?“ „Sportgeschäft? Haben wir leider keins.“ Der Skiläufer schüttelte den Kopf und meinte: „Ihr seid’s aber Rinderviecher. Bauen Lifte um Millionen – aber für ein Sportgeschäft reicht’s nimmer.“ Das war die Geburtsstunde des Sportartikelhandels am Stubaier Gletscher.

Ehrungen
Im September 1995 wurde Heinrich Klier das Verdienstkreuz des Landes Tirol verliehen. Die Gemeinde Neustift verlieh ihm die Ehrenbürgerschaft, darüber hatte er sich wirklich sehr gefreut. Die Ehrung, so sagte er, gebührt aber vor allem den Mitarbeitern, die zum Teil über 30 Jahre für die Gletscherbahn gearbeitet hatten. Von vielen sind jetzt sogar schon die Töchter und Söhne bei der Gletscherbahn angestellt. Ja, Heinrich Klier hat das Stubaital nachhaltig geprägt.

Weitere Informationen
www.stubaier-gletscher.com, www.tirol.at, www.stubai.at

Über den Autor*Innen

Gabi Dräger

Wo findet man Gabriele Dräger in den Bergen? Natürlich in einer Alm bei einer Brotzeit., denn Almen mit guter Küche ziehen sie magisch an. Gipfel nimmt sie auch hin und wieder mit. So hat sie einige 5.000er beim Trekking in Süd Amerika und Nepal, bestiegen. Ihre Hochleistung war der Kilimandscharo mit 5.895 Meter. Kultur und Brauchtum faszinieren sie genauso, wie Städte und Kunstausstellungen. Obwohl sie gerne in urigen Berghütten übernachtet ist sie dem Luxus von guten Hotels nicht abgeneigt.