In unzähligen Schleifen schlängelt sich das Moseltal zwischen der luxemburgischen Grenze bei Schengen und dem Deutschen Eck bei Koblenz durch steile Hänge links und rechts des Flusses. Auf den Weinbergen, die sich die Steilhänge hochziehen, können die Winzer ihre Reben oft nur in Handarbeit pflegen. Eine mühevolle, anstrengende Arbeit. Der steilste Weinberg im Anbaugebiet Mosel hat eine unvorstellbare Hangneigung von bis zu 68 Grad. Damit gilt der Calmont zwischen den Weindörfern Ediger-Eller und Bremm als der steilste Weinberg der Welt. So steil ist es da, dass Wanderer den Calmont per Klettersteig mit Stahlseilen, Leitern und Trittbügeln bezwingen müssen. Der Weinbau ist hier echte Knochenarbeit, zumal das Moseltal mit seinem geschützten Mikroklima auch noch zu den wärmsten Regionen Deutschlands zählt.
Die Steilhänge an der Mosel, wo schon die Römer vor 2000 Jahren Wein für die Bewohner des nahe gelegenen Trier anbauten, sorgen aber nicht nur für die typischen mineralischen Rieslinge, für die das Anbaugebiet bekannt ist. Die steilen Weinhänge sind auch ein wertvoller Lebensraum für eine große Zahl an seltenen Pflanzen, Schmetterlinge, Wildbienen, Echsen und Vögel.
Mit dem Projekt "Lebendige Moselweinberge" vermittelt das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Mosel seit 2013, welchen Artenreichtum die Moselregion beherbergt und fördert dessen Schutz und Pflege. Ziel ist es, dass möglichst alle dabei an einem Strang ziehen: Winzer, Naturschützer, Tourismusbranche.
Sichtbares Zeichen dieser Kooperation in den Weinbergen entlang der Mosel sind mittlerweile über 100 sogenannte Lebenstürme. Die zum Teil mehrere Meter hohen Türme aus Schiefer und Holz dienen als Hotels für Wildbienen und viele andere Insekten. Auch Trockenmauern, die seit Jahrhunderten die Weinbergsterrassen abstützen und gleichzeitig Mauereidechsen und vielen anderen Tieren und Pflanzen einen Unterschlupf bieten, werden im Rahmen des Projekts "Lebendige Moselweinberge" gezielt wieder aufgebaut. Und auch Schafe und Ziegen weiden in den Steillagen der Moselhänge.
Einen Eindruck von der Artenvielfalt in den Weinbergen gewinnt man am besten auf einer Wanderung auf einem der 16 Themenwege in den Mosel-Weinbergen, die jeweils mit einem speziellen Schwerpunkt die regionale Tier- und Pflanzenwelt vorstellen. Und am besten macht man sich dabei mit einer Naturerlebnisbegleiterin oder einem Naturerlebnisbegleiter auf den Weg. Diese Moselexperten kennen nicht nur die Tiere und Pflanzen in den Weinbergen bestens, sie kümmern sich auch aktiv um den Erhalt der Artenvielfalt, errichten Insektenhotels, bepflanzen Wegspitzen und legen Wanderpfade an. Und sie können natürlich sehr viel erzählen zu "ihrem" Gebiet.
Auf dem Eselspädchen weiden Ziegen
Zum Beispiel Carsten Neß. Er ist Landespfleger und Mitinitiator der Initiative "Lebendige Moselweinberge". Auf dem "Eselspädchen", das vom Moselort Graach aus auf einem 2,5 Kilometer langen Rundweg durch die Weinberge führt, erklärt er, dass früher auf dem Pfad Esel die Lasten zur Graacher Schäferei transportieren. Auf Esel trifft man bei der kurzen Wanderung zwar nicht mehr. Dafür begegnet man aber jeder Menge Ziegen. "Sie sorgen als Landschaftspfleger dafür, dass die brach liegenden Weinberge nicht von Brombeersträuchern überwuchert werden", erklärt Neß. Mit ihrem geringen Gewicht verdichteten die Ziegen den Boden außerdem nicht so stark wie Maschinen, erklärt er. Auf Info-Tafeln entlang dem Eselspädchen erfährt man noch mehr über die Beweidung mit Ziegen, über Trockenmauern als Lebensraum für Reptilien und weitere Tier- und Pflanzenarten, die man hier findet. Wem die 2,5 Kilometer lange Wanderung auf dem Eselspädchen zu kurz ist, der kann von dem Pfad aus auch direkt in den Moselsteig einsteigen. Der führt in 24 Etappen über 365 Kilometer durch das Weinkulturland Mosel.
Die Wehlener Sonnenuhr - Heimat für Insekten
Einen Einstieg in den Moselsteig bietet auch der "InsektenArt-Weg" in Wehlen. Wer sich Zeit nimmt für das lebendige Treiben in den Moselweinbergen, kann bei der Wanderung durch die berühmte Weinlage Wehlener Sonnenuhr viel entdecken. Auf dem Weg hat die Künstlerin und Naturerlebnisbegleiterin Sybille von Schuckmann-Karp in Zusammenarbeit mit den Winzern lebendige Kunstwerke geschaffen, die vielen Insekten einen Lebensraum bieten: kleine Häuschen und Türme aus Trockenmauern beherbergen unter anderem Wildbienen, Mauereidechsen und Schmetterlinge. Neben tollen Ausblicken ins Moseltal bietet der Weg auf 14 Info-Stelen auch viele Informationen zur Natur im Weinberg. Wer möchte, kann die Infos auch über einen QR-Code als Audiodatei über das Handy abrufen und den Erzählungen lauschen.
In der Wolfer Goldgrube brütet die Zippammer
Einem besonderen Bewohner der steilen Weinberge an der Mosel widmet sich der Naturlehrpfad "Zippammers Welt", der durch die Weinhänge der "Wolfer Goldgrube" bei Traben-Trarbach führt. "Die Zippammer ist ein seltener Vogel, der sich in warmen, felsigen Weinbergen wohlfühlt", erklären die Naturerlebnisbegleiterinnen Marion Sausen und Andrea Weyel. Deshalb habe er sich auch die Wolfer Goldgrube als Brutgebiet ausgesucht. Sausen und Weyel haben den Wanderweg “Zippamers Welt” gemeinsam geplant und zusammen mit den Winzern und vielen Helfern angelegt. Auf den steilen Terrassen mit den vielen alten und neu angelegten Trockenmauern, die Unterschlupf bieten, findet man aber noch andere seltene Arten wie etwa den Segelfalter – einen besonders schönen Schmetterling. Wegen ihrer artenreichen “Mauerlandschaften” gilt die Wolfer Goldgrube auch als einer von insgesamt 21 Leuchtpunkten der Artenvielfalt, die im Rahmen des Projekts “Lebendige Moselweinberge” ausgezeichnet wurden.
Schafe in den bunten Weinbergen von Senheim
Ein weiterer dieser Leuchtpunkte sind die Senheimer bunten Weinberge. Mit vielen Aktivitäten sorgen die Senheimer Weinbaubetriebe für Blütenvielfalt und reges Leben in den steilen Weinbergen. Entlang der Rebzeilen und der Wege haben die Winzer bunte Blühstreifen angelegt, die Bienen und Schmetterlingen Nahrung bieten. Zwischen den Reben wachsen hier Walderdbeeren, Mauerpfeffer, Weinbergslauch, Wilder Majoran und Königskerzen. Totholzstapel und Insektenhotels bieten Insekten einen Unterschlupf. Winzerin Stefanie Vornhecke lässt zwischen den Reben und in den brach liegenden Weinbergsflächen außerdem ihre bretonischen Schafe weiden. “Sie regulieren auf umweltschonende Weise die Begrünung”, erklärt Vornhecke. Bei Wanderungen durch die Senheimer Weinberge erklärt die Expertin für Artenvielfalt Interessierten die Arbeit im Weinberg, die Pflanzen- und Tierwelt. Aber auch auf Schautafeln kann man sich auf einem kleinen Rundweg über die biologische Vielfalt der Senheimer Bunten Weinberge und die dazu notwendigen Aktivitäten informieren.
Und nach einer so informativen Wanderung durch die steilen Weinberge hat man sich dann auf jeden Fall auch ein Glas des guten Mosel-Rieslings verdient. Am besten packt man sich für die Wanderung gleich ein Fläschchen davon in den Rucksack und genießt den guten Tropfen zusammen mit der traumhaften Aussicht von den Weinbergen auf das Moseltal.
Weitere Informationen zum Projekt Lebendige Moselweinberge und den Leuchtpunkten der Artenvielfalt finden Sie hier…
Informationen zu den Themenwegen finden Sie unter…
Über den Autor*Innen
Gabi Vögele
Gabi Vögele, geboren 1967 in Eichstätt/Bayern, arbeitete nach dem Studium von Journalistik und Geographie als Journalistin für Süddeutsche Zeitung und Abendzeitung. Seit 2005 ist sie freiberuflich als Journalistin tätig. Ihre Themen: Reisen, Outdoor-Aktivitäten, Genuss.
Draußen unterwegs sein, sich in der Natur bewegen, Landschaften entdecken, interessante Menschen treffen und einfach genießen – sei es den würzigen Bergkäse auf der Alm, das gute Glas Rotwein an einem langen Winterabend oder das überraschende Sechs-Gänge-Menü eines kreativen Kochs.