Seven Summits im Stubaital - Starke Gipfel

Fast den Mond berührt - bei den Seven Summits des Stubaitals geht es nicht um Höhe oder Schwierigkeitsgrad

Es ist kurz vor 3 Uhr morgens, und es ist heiß, obwohl es kalt ist. Das Atmen fällt schwer. Der Blick in die Ferne wird rabiat gestoppt. Die Nacht ist heute selbst mit Stirnlampe undurchdringlich. Die Lampe scheint stark und versucht mit aller Kraft, den knorrigen Weg zu erhellen. Doch es gelingt ihr nicht. Das Licht macht am dichten Nebel Halt. In feuchtkalte, graue Watte getaucht, läuft das Team weiter. Durch Stein, Geröll und Schnee. Die Hoffnung ist ihr Begleiter. Hoffnung auf den Sonnenaufgang am Gipfel. Das treibt sie zur Eile, denn schließlich liegen noch mehr als 1000 Höhenmeter vor ihnen.

Die Gruppe ist auf dem Weg zu einem der Seven Summits. Damit sind allerdings nicht der Mount Everest, Mont Blanc, Mount McKinley & Co. gemeint, die sieben höchsten Gipfel der sieben Kontinente. Doch das Stubaital hat seine eigenen sieben Supergipfel, die es zu erklimmen gilt. Schließlich müssen es nicht immer die höchsten, schwierigsten und gefährlichsten Berggipfel sein, die ein unvergessenes Bergerlebnis bescheren. Größe zeigt sich eben immer auf verschiedene Arten. Und bei den Seven Summits des Stubaitals geht es deshalb nicht um Höhe oder Schwierigkeitsgrad. Und so sehr sich die Seven Summits in ihrer Höhe, ihrer Lage, der Geschichte und ihrem Charakter unterscheiden, so sehr bestimmen sie das Leben im Tal.


Dennoch fiel die Auswahl schwer – kein Wunder bei 109 Dreitausendern, die das 35 Kilometer lange Stubaital umschließen. „Schließlich hat man sich geeinigt, und das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen“, erklärt Michael Gstrein, Pressesprecher des Tourismusverbands Stubai Tirol. Zu den Seven Summits gehören das Zuckerhütl (3507 m), der Wilde Freiger (3418 m), der Habicht (3277 m), die Rinnenspitze (3003 m), die Serles (2717 m), der Hohe Burgstall (2611 m) und der Elfer (2505 m).

Es sind jene Gipfel, die einen Eindruck hinterlassen, eine Geschichte erzählen und markant die Landschaft prägen.

So auch die Serles, zu deren Gipfel die Wandergruppe mitten in der Nacht aufgebrochen ist. Gegen 5 Uhr erreichen neun Frauen und Männer das Serlesjöchl in 2384 Metern Höhe, das den hohen Gipfel mit einem seiner beiden Nebengipfel verbindet. „Die Serles steht mit dem dreiteiligen Gipfel als scheinbar völlig isolierte Felspyramide da, bei der laut einer Volkssage ein wilder Ritter mit seinen beiden Söhnen wegen seiner Härte, seines Jähzorns und Grausamkeit verflucht wurde“, erzählt Gstrein den Wanderern in der Dämmerung. „So muss König Serles nun versteinert als Hauptgipfel und seinen beiden Söhnen als Nebengipfel dort ausharren“, fügt er hinzu.

Die Sage noch im Kopf, lassen die Wanderer schweigend die ganze Szenerie am Serlesjöchl auf sich einwirken. Die Wolken unter ihnen färben sich in ein sanftes Rosa, der Mond ist zum Greifen nah. Doch der eisige Wind und die Aussicht, auf dem 2717 Meter hohen Gipfel den Sonnenaufgang zu erleben, treiben jeden Einzelnen an.


Das Timing ist perfekt – um kurz vor 6 ist das Gipfelkreuz in Gold gehaucht und das Licht breitet seine gesamte Farbpalette über den Wolken und der Landschaft aus. Worte können das nicht beschreiben, und so schweigen die Gipfelstürmer und lassen die Kulisse staunend auf sich wirken.

Der dreistündige Abstieg ist ebenso aufregend, denn nun ist es hell und erstmals sehen sie Wanderer ihren Weg vom Aufstieg. An der Maria Waldrast Quelle trinken sie vom heilenden Wasser und anschließend im Gasthaus Koppeneck ein kaltes wohl verdientes Bier zur Stärkung, bevor sie mit der Sommerrodelbahn rasant ins Tal rauschen.

Gipfelwechsel

Einen Tag später nimmt der erfahrene Bergführer Robert Span die Gruppe mit zum nächsten Gipfel der Seven Summits: zum Hohen Burgstall. Für Sir Edmund Hillary war es  der erste Gipfel der europäischen Alpen, den er 1949 – vier Jahre vor der Besteigung des Mount Everest – bezwang.

Es handelt sich beim Hohen Burgstall um einen der leichter zu besteigenden Berge, sieht man von einer kurzen ausgesetzten Stelle unmittelbar vor dem Gipfel ab. Bergführer Span weiß: „Niemand ist komplett schwindelfrei, das ist alles eine Frage der Gewohnheit und Übung.“ Und so sind einige Gipfel der Seven Summits auch für jeden zu erreichen, vorausgesetzt, man hat die entsprechende Kondition. Für andere Peaks, beispielsweise für das Zuckerhütl (3507 Meter), den Habicht (3277 Meter) oder die Rinnenspitze (3003 Meter), sollten die Wanderer Technik und Alpinwissen mitbringen. Ohne diese Erfahrung wird empfohlen, die Tour mit einem staatlich geprüften Bergführer zu unternehmen.


Der Hohe Burgstall zeigt sich an diesem Vormittag von seiner komplizierteren Seite: Durch den Schnee kurz vor dem Peak ist das letzte Stück Weg nicht ganz so leicht wie vorher angegeben. Umso stolzer sind die noch unerfahrenen Wanderer, den Gipfel zu erreichen. Belohnt werden sie außerdem mit einer phantastischen Aussicht, als sich die Wolken verziehen.

Natürlich ist der Weg das Ziel, aber für einen erfolgreichen Gipfelsieg winkt als Belohnung zusätzlich ein Nachweis im Gipfelpass, der - je nach Anzahl der bestiegenen Summits - eine Auszeichnung bringt. Und wer nicht alle sieben Gipfel erreicht, hat sie aber an einem Punkt alle auf einmal im Blick: An der Starkenburger Hütte oberhalb von Neustift stehen sieben Infostelen, die genau auf die Seven Summits ausgerichtet sind. In der Hütte gibt es auch einen grandiosen Kaiserschmarrn – eine weitere Belohnung, wenn man gerade vom Peak des Hohen Burgstalls kommt.

Eins noch zum Schluss: Es geht nicht darum, in nur einem Urlaub alle Seven Summits des Stubaitals zu erreichen. Schließlich ist „Genießen“ statt „Abhaken“ die Devise. Und außerdem laufen die Berge ja nicht weg – sie sind im nächsten Urlaub immer noch da und warten darauf, dass man ihnen einen Besuch abstattet. Christiane Flechtner

Weitere Infos: www.stubai.at

Seven Summits Stubai:

Zuckerhütl (3507 m): So süß der Name auch klingen mag, so mächtig ist er. Das Zuckerhütl trägt seinen Namen von der lange währenden Haube aus Schnee, die den Gipfel seitlich bedeckt. Der höchste Berg des Stubaitals ist auch keineswegs einfach zu besteigen; besonders der Gipfelanstieg birgt seine Schwierigkeiten in sich.

Start ist an der Bergstation Schaufeljochbahn, Stubaier Gletscher (3170 m). Für die rund 400 Höhenmeter müssen Wanderer rund 3,5 Stunden Gehzeit hoch und 4 Stunden hinunter berechnen. Charakteristik: Hochtour mit Gletscherbegehung, Kletterstellen, komplette Sicherheitsausrüstung obligatorisch.

Kondition: XXXX
Technik: XXXX

Wilder Freiger (3418 m): Über Steige, Gletscherhänge und Eisflanken lässt sich der Wilde Freiger von verschiedenen Seiten erklimmen. Start ist der Hüttenparkplatz an der Sulzenau Hütte (1590 m) oder Nürnberger Hütte (1370 m). Es handelt sich um eine alpine Hochtour, und es ist eine komplette Gletscherausrüstung nötig.

Gehzeit über Sulzenau Hütte: 1. Tag: 2,5 Stunden hoch; 2. Tag: 5 Stunden hoch, 6 Stunden hinunter. Höhendifferenz: 1. Tag: 600 Höhenmeter; 2. Tag: 1300 Höhenmeter.

Gehzeit über Nürnberger Hütte: 1. Tag: 2,5 Stunden; 2. Tag 4,5 Stunden hinauf, 5 Stunden hinab. Höhendifferenz: 1. Tag: 1000 Höhenmeter; 2. Tag: 1300 Höhenmeter. Einkehrmöglichkeiten: Sulzenau Alm, Sulzenau Hütte, Bsuchalm, Nürnberger Hütte.

Kondition: XXXX
Technik: XX

Habicht (3277 m): Einer der beeindruckendsten Berge ist der Habicht. Es handelt sich um eine anspruchsvolle Bergwanderung mit Kletterstellen und seilversicherten Teilstücken. Start ist in Neustift, Ortsteil Nelder (970 m).

Die Gehzeit beträgt am 1. Tag 4,5 Stunden hoch, am 2. Tag 3 Stunden hinauf und 6,5 Stunden hinab. Höhendifferenz: 1. Tag: 1400 Höhenmeter; 2. Tag: 2080 Höhenmeter.

Einkehrmöglichkeiten: Issenangeralm, Pinnisalm, Karalm, Innsbrucker Hütte, Elferhütte.

Kondition: XXXX
Technik: XXX

Rinnenspitze (3003 m): Der vierthöchste Gipfel der Seven Summits ist zugleich der am einfachsten zu erklimmende Dreitausender unter ihnen. Es handelt sich um eine Bergwanderung (schwarzer Bergweg) mit Klettersteig und Stahlwegsicherungen am Gipfelgrat. Start ist an der Oberissalm im Oberbergtal (1742 m).

Gehzeit: 4,5 Stunden hinauf und 3,5 Stunden hinab, Höhendifferenz:1300 Höhenmeter.

Kondition: XXXX
Technik:XXX

Serles (2717 m): Tirols natürliche Pyramide lockt wohl jeden zum Eroberungsversuch über den rückwärtigen Buckel. Er ist technisch leicht und nur wegen einer Dreimeter-Leiter schwarz markiert. Start ist in Neustift, Kampl (994 m).

Gehzeit: 4,5 Stunden hoch und 4 Stunden hinunter. Höhendifferenz: 1700 Höhenmeter.

Kondition: xxxxx
Technik: x

Hoher Burgstall (2611 m): Der leichteste von den Seven Summits wird mit der Kreuzjochbahn von Fulpmes aus angegangen, es folgen knapp zwei Stunden Aufstieg, die aber alle Geschmacksarten eines Bergerlebnisses bieten.

Kondition: x
Technik: x

Elfer (2505 m): Der Abgesandte der Dolomiten wirft seinen Schatten stets um elf Uhr auf Neustift, was Name erklärt. Das Gipfelkreuz steht auf dem sechs Meter niedrigeren östlich Elferturm und damit eigentlich am falschen Platz. Der Wanderer nimmt die Elferbahn bis auf 1800 Meter und braucht auf seiner Genussroute zweieinhalb Stunden bis zum Gipfel.

Kondition: x
Technik: x

Text und Bilder: Christiane Flechtner

 


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Über den Autor*Innen

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner, geboren 1972 in Münster und aufgewachsen auf der Nordseeinsel Norderney, hat ihren Lebensmittelpunkt heute in Berlin. Hier war die freie Journalistin und Fotografin viele Jahre als Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Nord-Berliner“ tätig. Doch auch im Ausland ist sie viel unterwegs, angefangen vor allem in Afrika, aber auch in Asien und Europa war sie unterwegs und hat Reportagen über Tier, Mensch und Natur mitgebracht - und das über und unter Wasser. Ihre Hobbys: Reisen, Laufen, Tauchen, Wandern und Fotografieren.