Mein lieber Schwan

Sachsen Sächsische Schweiz Malerweg Amselsee

Wandern auf historischen Künstlerpfaden in der Sächsischen Schweiz - Von Cornelia Höhling

Alle waren sie fasziniert - Maler, Literaten, Musiker. Und die Wanderer sind es heute noch. Kommen sie doch seit mindesten 300 Jahren von weit her ins Elbsandsteingebirge, eine der spektakulärsten Naturlandschaften Europas. Nicht nur kursächsische Hofmaler Augusts III., sondern ganze Generationen von Künstlern verarbeiteten ihre hier gewonnenen Eindrücke in Gedichten, Liedern und Bildern.

Selbst den Begriff „Sächsische Schweiz“ haben zwei Maler geprägt: die Schweizer Adrian Zingg (1734-1816) und Anton Graff (1736-1813), die seit 1766 an der Dresdener Kunstakademie lehrten und sich in der Landschaft wohl an ihre Heimat erinnert fühlten.

Auch Richard Wagner (1813-1883) tauchte in die pittoreske Felsenwildnis der Sächsischen Schweiz ein. „Gott sei Lob, ich bin wieder auf dem Lande, drei Stunden von Dresden in der reizendsten Gegend von der Sächsischen Schweiz, und fange wieder an, als Mensch und Künstler aufzuatmen“, schrieb er im Mai 1846 an einen Freund. Gemeinsam mit seiner Frau Minna verbrachte er auf dem Schäferschen Gut im heutigen Graupa eine elfwöchige Auszeit von seinem aufreibenden Amt als Kapellmeister an der Dresdner Hofoper. Die atemberaubenden Aussichten auf mächtige Tafelberge, in enge Schluchten und romantische Täler auf seinen Wanderungen inspirierten ihn nicht zuletzt zu seiner Oper „Lohengrin“, die in Graupa entstand.

Deutschlands schönster und beliebtester Wanderweg

Der Komponist Wagner und andere Künstler der Romantik folgten meist derselben Route. Der 2006 wieder eröffnete etwa 112 Kilometer lange „Malerweg Elbsandsteingebirge“ orientiert sich weitgehend an historischen Pfaden und Aussichtspunkten. Schon bald wurde er zum „schönsten“ und „beliebtesten“ Wanderweg Deutschlands gekürt. Mit einem schwungvollen M ausgeschildert, führt er vom Liebethaler Grund bei Pirna zum Prebischtor im Böhmischen. Mit 26,50 Meter Breite und 16 Meter Höhe gilt dieses als größte natürliche Felsenbrücke Europas. In acht mittelschweren bis anspruchsvollen Tagesetappen zwischen 11 und 18 Kilometer Länge bezwingt man dabei in der Summe aller Höhenmeter immerhin einen Viertausender.

Nicht nur für Wagnerverehrer ist es ein besonderes Erlebnis, die Wege der alten Meister vorbei an wildromantischen Tälern und bizarren Felsnadeln zu gehen. Ein gut markiertes Wanderwegenetz mit 2.200 Kilometer Wander- und Radwegen wird den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht und führt durch eine abwechslungsreiche Landschaft mit hohem Erlebniswert. Auch der Elberadweg (860 km) zieht sich von Cuxhafen an der Nordsee kommend nach Schöna in die Sächsische Schweiz und weiter durch die Böhmische Schweiz bis ins Riesengebirge zur Quelle der Elbe. Der Wagnerort Graupa erweist sich als guter Ausgangspunkt für Wanderungen, kreuzen ihn doch gleich mehrere Wanderwege, darunter die Deutsche Weinstraße.

Mit Wagner unterwegs

Insbesondere im Wagnerjahr 2013, wenn hier mit zahlreichen Veranstaltungen der 200. Geburtstag des großen Romantikers gefeiert wird, lohnt ein Blick in seine einstige Ferienwohnung, die heute das älteste Wagnermuseum der Welt ist. Im nahegelegenen Jagdschloss lässt sich eine multimediale Ausstellung zum Thema „Richard Wagner in Sachsen“ besuchen. Nicht von ungefähr ziehen auf dem dazugehörigen Schlossteich zwei weiße Schwäne ihre Bahn. Im Schlosspark findet man eine Büste des Komponisten und einen Richard-Wagner-Kulturpfad mit Informationstafeln zu seinem Leben.

Von Graupa aus führt die Route zunächst auf rechtselbischer Seite durch den Liebethaler Grund, ein enges, tief eingeschnittenes Tal, das als „Eingangstor zur Sächsischen Schweiz“ bezeichnet wird, vorbei am größten Wagnerdenkmal.

„Milbentaxi“ und Ameisenlöwe im Nationalpark

Wer sich einer Führung anschließt, wird auf den Touren Moose, Farne, seltene Pflanzen und Tierarten entdecken. Die urwüchsige Natur sei Lebensraum etwa von Fischotter, Biber, Schwarzstorch, Wasseramsel und Luchs, erzählt die studierte Biologin Daphna. Ein Großteil der insgesamt über 700 Quadratkilometer großen Region mit ihrer reichen Flora und Fauna ist beiderseits der sächsisch-böhmischen Grenze als Nationalpark geschützt. Gern macht die zertifizierte Nationalparkführerin auf den Ameisenlöwen aufmerksam und stellt den Käfer als „Milbentaxi“ vor.

Landschaftsmaler fanden Inspiration

In dem urwüchsigen Wald herrscht angenehme Kühle, die selbst hochsommerliche „Dämmse“, wie Hitze auf Sächsisch heißt, gut ertragen lässt. Während Daphna noch das erfrischende „Kellerklima“ erklärt, taucht plötzlich das Uttewalder Felsentor auf. Drei herabgestürzte Felswände sind in einer kaum mehr als mannsbreiten Schlucht stecken geblieben. Ein Anblick wie gemalt. Und schon holt sie aus den Tiefen ihrer Taschen ein Büchlein hervor. Ein Bild zeigt genau diese Stelle, gemalt von Caspar David Friedrich (1774-1840) um 1800. Der wohl bedeutendste Maler der deutschen Romantik war nicht der einzige, der hier Motive fand.

Wiege des Freeclimbings

Später gelangt man zum Höllengrund und zum Steinernen Tisch, der 1710 für die kurfürstliche Jagdgesellschaft im Lohmer Wald aufgestellt wurde. Das Pfarrhaus in Lohmen war erste Anlaufstelle für Reisende, ist zu erfahren. Denn Pastor Nicolai (1739-1823) hatte 1801 den ersten praktischen Wegweiser mit Karte herausgegeben. Die Eisenbahn tat ab 1851 ein Übriges für die Bekanntheit des Gebirges.

So wurden die Blicke der Fremden auch auf dessen Sagen gelenkt. Die „Barbarine“ am Pfaffenstein ist angeblich eine versteinerte Jungfrau. Die Ungehorsame wurde bestraft, weil sie anstatt in die Kirche in die Blaubeeren ging. 1905 wurde die 42,70 Meter hohe Felsnadel erstmals bestiegen. Das zerklüftete Felsengewirr mit frei stehenden Felstürmen belebt nicht nur die Fantasie, sondern wurde auch zur Wiege des Freeclimbings. Es gibt über 1.100 anerkannte Klettergipfel mit fast 17.000 verschiedenen Kletterrouten, und alle Kletterfelsen haben einen Namen. Freiklettern bedarf bestimmter Regeln, die erstmals 1910 als „Sächsische Kletterregeln“ festgeschrieben wurden. Die Schwierigkeitsgrade der Kletterwege an freistehenden Sandsteinfelsen reichen von I (niedrig) bis XII (extrem). Das „Boofen“, Freiübernachten unter einem Felsvorsprung, sei nur an gekennzeichneten Plätzen im Nationalpark erlaubt, warnt Daphna.

Von der Bastei über die Schwedenlöcher zum Amselgrund

Als Wahrzeichen der Sächsischen Schweiz überspannt seit 160 Jahren die berühmte steinerne Basteibrücke die fast 80 Meter breite Schlucht „Merdertelle“ zur alten Burg Neurathen. Sie war eine von etwa 50 Burgwarten, die schon im 13. Jahrhundert die Handelswege schützten. Die Aussicht von der Bastei ist einzigartig. Der Blick bleibt an mächtigen Tafelbergen und bizarren Sandsteinen hängen, zu deren Füßen sich idyllisch die Elbe schlängelt. Schiffe durchpflügen den Strom, der dem Elbsandsteingebirge den Namen gab. Die sächsische Dampfschifffahrt beging 2011 ihr 175. Jubiläum und unterhält mit 90 Raddampfern heute die weltweit größte Flotte dieses Schiffstyps.

Vom Basteifelsen geht es über rund 900 Stufen durch die Schwedenlöcher, wo sich die Einheimischen samt Hab und Gut im 30-jährigen Krieg vor den Schweden versteckten, zum Amselgrund. Der Amselfall war schon im 19. Jahrhundert Touristenmagnet. Ein kleiner Obolus lässt den künstlich angestauten Wasserfall noch heute rauschen. Eine willkommene Abwechslung zum Wandern bieten die Ruderboote auf dem Amselsee, der von imposanten Felsformationen wie Storchennest, Bienenkorb, Lokomotive und Lamm eingerahmt ist.

Seit über 75 Jahren Felsenbühne

Wenige Schritte weiter erwartet vor mächtiger Felsenkulisse seit über 75 Jahren die Naturbühne Rathen je Vorstellung 2.000 Gäste. Der gleichnamige Kurort, dessen links- und rechtselbische Ortsteile durch eine historische Gierseilfähre verbunden sind, feierte bereits sein 750. Jubiläum. Aufgrund seiner zentralen Lage wird auch er gern als Ausgangspunkt für die Wander- und Bergtouren gewählt.

Für Wagner war der Urlaub 1846 nicht der erste Aufenthalt in der Region und sollte auch nicht der letzte sein. Der Komponist blieb lebenslang ein begeisterter Wanderer in der Sächsischen Schweiz. Auch mit seiner zweiten Frau Cosima kam er 1881 noch einmal hierher und zeigte ihr die wildromantische Schönheit der Felsformationen, in der er stets schöpferische Pausen fand.

Über den Autor*Innen

Jörg Bornmann

Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.