Herzlichen Glückwunsch Reinhold Messner

Im Gespräch mit Reinhold Messner

„Reinhold Messner wird 70 Jahre alt“diesen Satz hätten viele Wegbegleiter, Bergkameraden und kritische Beobachter seiner Karriere vor einigen Jahrzehnten sicher nicht unterschrieben, galt der junge Südtiroler doch als Draufgänger, der auch bereit war hohe Risiken einzugehen. Doch darf er, trotz aller hinlänglich bekannten Schicksalsschläge, auf erfüllte 70 Lebensjahre zurück blicken. Wer Reinhold Messner kennt weiß aber auch, dass er noch immer nach vorne blickt, immer wieder Visionen, wie in den letzten Jahren mit seinen Messner Mountain Museen, hat und seine Meinung kund tut. Oft ist er angeeckt und gerade in seiner Heimat Südtirol spaltet er die Menschen, während ihn die einen fast wie einen Nationalheiligen vergöttern, sehen ihn andere als Querulanten. Nationalheiliger will er nicht sein, aber wenn man aus dem Querulanten einen Querdenker macht, dann sieht er sich schon sehr gut getroffen. Höhenbergsteiger, Visionär und Querdenker, vielleicht sind es diese drei Begriffe, die die ersten 70 Lebensjahre des Reinhold Messner am ehesten zusammen fassen.

Jörg Bornmann von wanderfreak.de hat Reinhold Messner bei einer Wanderung in Tiers am Rosengarten begleiten und mit ihm bei der Berglertafel mit Blick auf den Rosengarten und einem Glas Südtiroler Wein ein ausführliches Gespräch geführt.

WF.: „Herr Messner, ich durfte Sie heute bei einer Wanderung mit etwa 20 Urlaubern begleiten. Was bedeuten solche Wanderungen für Sie, weshalb stellen Sie sich dafür zur Verfügung?“

Reinhold Messner: „Ich bin nicht oft mit solchen Gruppen unterwegs, aber ich mag den Kontakt zu interessierten Menschen und zeigen Ihnen gerne meine Heimat Südtirol. Meine Freunde aus Tiers haben mich gefragt ob ich sie mit einer solchen Wanderung unterstützen würde und das mache ich sehr gern“

WF.: „Wie sehen Sie den Tourismus in Südtirol oder auch im gesamten Alpenraum?“

Reinhold Messner: „Man muss dies differenziert betrachten. Wir leben im Alpenraum seit 5.000 bis 6.000 Jahren von der Almwirtschaft, später kamen noch die Ausbeutung der Bodenschätze hinzu, aber einen gewissen Wohlstand für den größten Teil der Bevölkerung hat der Tourismus gebracht und gerade die Entwicklung nach 1945 war ausschlaggebend, dass viele Südtiroler ein gutes Auskommen durch den Tourismus haben. Ein großes Problem habe ich allerdings damit, wenn man den Alpenraum immer weiter erschließt, man braucht nicht immer größere Skigebiete, noch größere Seilbahnen, die noch größere Menschenmassen auf die Berge befördern und ich bin absolut gegen die inzwischen allgegenwärtigen Aussichtsplattformen, die das Bergerlebnis nach meiner Ansicht eher einschränken als erweitern. Man sollte die bestehende Infrastruktur nutzen, diese immer wieder erneuern, aber man muss aufpassen, dass man das wichtigste Kapital das wir haben nicht vergisst, die Natur. Doch ist das Hauptproblem der Alpen weder Skilift noch Schneekanone, das Problem ist, dass Teile dieses Kulturraums Alpen entvölkert wird. Dort wo es keinen oder nur wenig Tourismus gibt ist die Bevölkerung längst in die großen Ballungszentren abgewandert, es ist keiner mehr da, der Wege pflegt, sich um die Almwirtschaft kümmert. Dadurch kann eine ganze Kultur verloren gehen, ein Kulturraum sterben.“

WF.: „Der Klettersport hat in den letzten Jahren einen Boom erlebt. Doch viele der in Kletterhallen ausgebildeten Kletterer zieht es für her oder später in die Berge. Verkommen die Alpen zur Freiluft-Sporthalle?“

Reinhold Messner: „Man muss hier unterscheiden zwischen Sport, Tourismus und Alpinismus. Ich bin der Meinung, dass hier viel zu viel vermengt wird. Klettern in der Halle ist Sport und hat mit Alpinismus nichts zu tun. Häufig wird inzwischen versucht dies über den Tourismus in die Natur zu transportieren. Und hier muss man aufpassen, der Tourist wird im Normalfall an die Hand genommen, ihm wird Verantwortung für sein Tun abgenommen. Der Alpinist muss sich stets selbst fragen ist das möglich oder unmöglich, er verantwortet sein Tun zu 100% selbst. Alpinismus startet dort, wo der Tourismus aufhört, dort wo die Unberechenbarkeit der Natur hinzu kommt. Aber nicht nur der Wanderer tendiert zu sehr gut ausgebauten und gekennzeichneten Wegen. Auch eine vielzahl von Bergsteiger Kletterer ziehen immer mehr präparierte Routen vor. Der Boom der Klettersteige wurde von mir immer kritisch begleitet. Hier wird alles von oben bis unten mit Bohrhaken und Markierungen versehen, das hat mit Alpinismus nicht mehr viel zu tun. Leider funktionieren Hütten in direkter Nähe zu diesen Klettersteigen sehr gut, während andere Alpenvereinshütten ohne diese Einrichtungen eingehen."

WF.: „In Ihrer „zweiten Heimat“ dem Everestgebiet boomt der Tourismus gerade. Viele Ihrer Bergsteigerkollegen schimpfen über Entwicklungen, die es vielen ermöglichen den Mount Everest zu besteigen.“

Reinhold Messner: „Ich kann darüber nicht schimpfen. Wir dürfen uns als privilegierte Bergsportler doch nicht anmaßen die Sherpas zu verurteilen, nur weil sie jetzt das tun, was unsere Großeltern auch getan haben, nämlich den Tourismus für sich als Einnahmequelle zu entdecken. Natürlich sehe ich es auch kritisch, wenn inzwischen zwei Routen auf den Everest so präpariert sind, dass jeder, der heute Morgen die Wanderung mitgegangen ist, bei entsprechende Kondition und körperlicher Verfassung auch den Everest schaffen kann. Im Moment leben etwa 500 Sherpas mit Ihren Familien von diesem Tourismus. Wichtig ist mit dieser Entwicklung möglichst verantwortlich umzugehen und dafür zu sorgen, dass wirklich ein großer Teil des Geldes bei den Sherpas bleibt, sich die Reiseveranstalter in den USA, Asien und Europa dieser Verantwortung gegenüber den Sherpas und den eigenen Kunden bewusst werden. Es gibt wenige Südtiroler die keinen Bergführer in ihrer Familie hatten, auch unsere Groß- und Urgroßväter haben vor 100 Jahren reiche Engländer, Deutsche und Amerikaner auf die höchsten Berge der Alpen geführt und auch das war zu jener Zeit grenzwertig.“

WF.: „Herr Messner, es hat Spaß gemacht mit Ihnen ein gutes Glas Südtiroler Wein zu trinken. Eine letzte Frage, was macht für Sie rückblickend einen Extrembergsteiger aus, ist es die Freiheit?“

Reinhold Messner: „Als Extrembergsteiger ist man immer auch ein Grenzgänger und als solcher wird man nicht geboren. Immer wieder die eigene Angst überwinden, dass macht das Extrembergsteigen aus und war immer meine gefühlte Freiheit. Eine Freiheit, die in erster Linie heißt Verantwortung zu übernehmen.“

Über den Autor*Innen

Jörg Bornmann

Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.